Eine Jahresrückschau
zum 15./17. März
Es ist heute wieder der Tag, wo auch vorigen Jahres du ein Wort von Mir erhieltest in Bezug auf den Jahrestag, wo du zum ersten Mal Meine Stimme vernahmst, und eben da dieses Jahr voll von Gnaden für euch morgen abgelaufen ist, so willst du wieder ein anderes Wort, ein Wort der Gnade und Liebe für dich und die Deinen, damit ihr Stärkung und Labung erhalten mögt für alle Ereignisse, welche euch im künftigen Jahr begegnen könnten.
Ja, Meine Kinder, es ist wieder ein Jahr verflossen, in welchem Ich zu euch viel gesprochen habe, ihr aber davon wenig verstanden und noch weniger in eurem Wirken recht aufgefasst und ausgeübt habt. Ihr habt alle noch die dreifache Decke Moses vor euren Augen hängen, noch immer ist die Neugierde und das Haschen nach neuen Gnadenworten von Mir größer als der Drang, auch im strengsten Sinn das ausführen zu wollen, was oft nur in einem einzigen Wort schon liegt.
Wie viele einzelne Worte habe Ich euch schon erklärt, deren geistige Bedeutung aufgedeckt, euch mittelst dieser Erklärungen in die Tiefen Meiner Schöpfung, in die Tiefe Meiner Weisheit und in die Tiefe Meiner Liebe und Gnade schauen lassen, und was ist und war stets das Endresultat? Fleißig Meine Worte abschreiben, sie zu den anderen empfangenen zu legen, und dort in Ruhe liegen lassen! Seht, das ist das Schicksal Meiner Gnadenblumen aus dem Geisterreich, welche ihr empfangt, und die euch mit ihrem Wohlgeruch zu Mir erheben sollten; stattdessen macht ihr es wie die Botaniker oder Kräutersammler, welche die Pflanzen als Spezies eifrig sammeln, sie dann zwischen Fließpapier fleißig trocknen um sie gut aufzubewahren, ohne sich nur im mindesten zu bekümmern, wie viele tausend Wunder schon in einem einzigen Blatt, in einem einzigen Blümchen liegen. Es handelt sich bei ihnen nur, um ihre Sammlungen zu vermehren, so wie bei euch, wenn ihr nur Diktate und Worte von Mir habt, so seid ihr schon zufrieden; wie es aber mit der Ausführung auch nur eines Worts geht, da greife ein Jeder in seine eigenen Brust und hole sich dort die Antwort heraus. Glück für ihn, wenn sie nach ernster Forschung genügend ausfällt.
Der Jahrestag Meines Gnadenworts lässt in euch den Wunsch aufsteigen: Werden wir doch wohl wieder vom Vater etwas in dieser Beziehung bekommen? Und Ich sage euch: Ja, ihr sollt ein Wort von Mir erhalten, aber ein Wort, das euch etwas aus dem Bequemlichkeitsschlaf aufrütteln soll, damit ihr bedenken mögt, was es heißen will: Ich, der Schöpfer und Herr der Welt, habe Mich herabgelassen, euch Selbst zu führen und zu leiten, während tausend andere den Weg allein gehen müssen.
Wenn ihr dieses in seinem tiefsten Sinn erwägen möchtet, so würden euch die Haare zu Berg stehen, wie ihr sagt, ob der Nachlässigkeit und Gleichgültigkeit, mit welcher ihr Mein Himmelsbrot behandelt.
Jahrestage und Jahresfeste von wichtigen Ereignissen sich ins Gedächtnis zu rufen ist gut, weil da im Allgemeinen die Frage in Betracht gezogen werden soll: Wo stand ich voriges Jahr? Was habe ich seither getan? Habe ich meinen Vorsätzen getreu gehandelt? Bin ich vorwärts oder rückwärts gegangen? Lauter sehr verfängliche Fragen, worauf wohl nicht immer die schmeichelhaftesten Antworten folgen können. Wenn ihr nun unter euch so fragen würdet, oder wie auch in wenigen Tagen die österliche Beichte bei den Katholiken ebenfalls zu solchen Fragen anregt, wie soll da erst diese Beichte ausfallen, wenn Ich, euer Vater, voll Liebe und Geduld, euch frage:
„Kinder! Was habt ihr mit all Meinen Worten getan, die Ich euch wieder während eines Jahres gegeben habe? Wie habt ihr sie ausgeübt, geistig verdaut selbe euch zu eigen gemacht? Und zwar so, dass selbe und euer eigener Seelenmensch eins geworden sind? Wie habt ihr Meine Lichtwellen aus dem ewigen Geisterreich aufgefasst? Aus einem Geisterreich, wo ewig die Sonne der Wahrheit und nur Wahrheit leuchtet, und als Aurora boreale [Nordlicht] oder ewiges rosiges Liebelicht alles mit den sanften Strahlen der Demut, Duldung und Versöhnung bestrahlt, wie habt ihr diese Strahlen in euer Inneres eindringen lassen, und habt ihr nicht bloß unter dem Widerschein oder Reflex dieses Weisheits-Liebe-Lichts momentan euch erwärmen lassen, sondern selbe Strahlen euch ganz zu eigen gemacht, um auch im Notfall andere etwas davon teilhaftig werden zu lassen?“
Seht, bei diesen Fragen eures himmlischen Vaters wird vielleicht bei den Meisten von euch eine ungenügende Antwort herauskommen. Aber eben, weil diese Fragen gerade nur alle Jahre einmal, nämlich bei Erneuerung eines Zeitabschnitts, vorkommen, so müssen sie auch ernster beurteilt und noch ernster erwogen werden. Denn wer von euch weiß, ob nicht eben dieser jetzt nahe liegende Zeitabschnitt oder Jahreswechsel der letzte ist, welchen er in körperlicher Hülle an sich vorüberziehen sieht? Wer von euch weiß denn, ob nicht der nächste ihn in anderen Verhältnissen im anderen Jenseits überrascht, wo die Frage vielleicht wieder kommen könnte, aber eine strengere Rechenschaft gefordert wird, weil auch dort größere Aufgaben zu vollführen wären? –
Deswegen verschiebt nicht auf morgen, was heute noch getan werden kann, d.h. arbeitet täglich, stündlich an dem Kleid eures Seelenmenschen, es ist dasjenige, welches ihr nur allein ins Jenseits einst mitnehmen und gemäß diesem Kleid eure Gesellschaft dort treffen werdet, und wo gemäß diesem Kleid euer weiteres Handeln und Fortschreiten, eure geistige Fern- und Kurzsicht beschaffen sein werden. Deswegen Meine vielen Worte an euch, deswegen Meine vielen Mahnungen, Prüfungen, die Ich euch zukommen lasse. Sie alle sollen euch zu einem besseren Seelenkleid verhelfen, sie alle sollen euch helfen, alle schmutzigen Flecken aus selbem zu entfernen, alles Hässliche davon abzustreifen, damit einst in jenem Reich, wo Innen und Außen gleich ist, euer Inneres der Außenseite oder dem leichten Seelenvehikel diese gefällige, schöne Form gibt, die dem Adel der Seele und ihrem geistigen Wert entspricht.
Nehmt daher euer Leben auf dieser Welt nicht so leicht, es ist weit ernster, als ihr es wähnt! Ich, euer Vater, Der die Zukunft, die euch erwartet, besser kennt, sage auch dieses, damit ihr dann nicht über Enttäuschungen klagt, wenn die Verhältnisse und Umstände sich nicht so gestalten wie ihr es in eurem Kopf ausgehegt hattet.
Daher diese vielen Worte, teils für einzelne, teils für alle, daher diese väterlichen Mahnungen, diese Aufklärungen, dieses Einführen in das eigentliche geistige Entsprechungswesen der Worte, damit sie alle Fingerzeige und Wegweiser sein sollen auf eurem Lebensweg, um stets euch zu mahnen, wenn ihr wanken oder vom rechten Weg ablenken wollt, stets dorthin zeigend, wo allein Friede, Trost und Ruhe ist.
So sollt ihr diesen Jahrestag als Abschnitt eines vorübergegangenen, nie mehr zurückkehrenden Lebensabschnitts betrachten, sollt euch ernstlich fragen: Wo war ich? Und wo bin ich? Und wohin will und wohin soll ich gehen? – Diese Fragen müssen zur Zufriedenheit einst gelöst werden, sonst ist kein Heil für eure Seele zu hoffen!
„Mein Kind“ zu sein, Ich habe es euch schon oft gesagt, ist nicht so leicht, verlangt ja doch ihr selbst auf Erden und mit euren beschränkten Begriffen, dass eure Kinder euch Ehre machen sollen. Und was ihr, endliche Geschöpfe verlangt, sollte es Mir, dem Herrn alles Geschaffenen, nicht noch mehr zustehen?
Es ist also gerade dieser Jahrestag Meiner ersten Gnadeneröffnungen an euch, wie einst vor mehr als 30 Jahren durch Meinen früheren Schreiber (J. Lorber), wo Ich auch eine kleine Schar auserkoren hatte, bei welchen Ich Selbst der Sämann Meines geistigen Wortes sein wollte. Von jenen sind wenige übrig, die noch auf dem Weg zu Mir geblieben sind wie Ich selben ihnen zeigte; von euch sind beinahe alle noch im Fortschreiten auf der engen Straße des Lichts und der Wahrheit begriffen.
Tut das Möglichste, euch auf dieser geistigen Höhe zu erhalten, die ihr erlangt habt, und hütet euch vor dem Herab-, vor dem Zurückschreiten. Ein jeder Jahrestag dieses Gnadentags soll euch reiner, besser und näher bei Mir finden! Ein jeder dieser Jahreswechsel soll euch stets mehr in den Untersuchungen eures Herzens und eures zurückgelegten Lebensjahrs mit Zufriedenheit erfüllen!
Bei allem Mühen, bei allem Streben wird euch doch stets noch genug zum Hinwegräumen für ein anderes Jahr überbleiben; denn jedes Jahr, jeder Tag, jede Stunde bereitet andere Verhältnisse, andere Prüfungen, und Meine Kinder müssen wie eine Generalbeichte so auch ein Generalexamen bestehen können, sie müssen nicht allein ihren Körper für alle möglichen Witterungsverhältnisse abgehärtet, sondern ihren Seelenmenschen so erzogen haben, dass auch er jedem Sturm trotzend, sich stets seiner hohen Mission bewusst, nicht fallen, nicht zugrunde gehen kann.
Seht die Bäume an, der Sturmwind bewegt sie, rüttelt sie, macht selbe oft bis in ihren tiefsten Wurzeln erbeben, aber eben dieses Lockermachen, dieses Zittern ist das einzige Mittel, um sie mit ihrem Grund und Boden noch mehr zu verbinden, um ihren Wurzeln noch mehr Tätigkeit und mehr Kraft zu verleihen. So sollen auch die Stürme, welche von allen Seiten heranbrausen werden, nur dazu dienen, euch in eurem Grund und Boden, d.h. in Meiner Liebe und Meiner Lehre mehr zu befestigen.
Die Stürme sollen dazu dienen, euch im Vertrauen auf Mich zu befestigen, und im steten Hinblick auf Mich als euren langmütigen, liebenden Vater stets eingedenk sein zu lassen, dass ihr einst schon wert wart dieser direkten Mitteilung, und dass ihr daher auch alles Mögliche anwenden müsst, zur eigenen Ruhe und Meiner Zufriedenheit, damit ein jeder Jahreswechsel dieses wichtigen Ereignisses euch als besser antreffe wie im vergangenen Jahr, und dass so stets fortschreitend, ihr euch reif macht zum Wechsel des Dies- mit dem Jenseits, wo die eigentliche ewige Lebensbahn als Geister erst anfängt, und dieses Leben, gerade wie bei einem Buch die Vorrede, selbes nur der Prolog gewesen ist, der jedoch dem nachfolgenden Inhalt des Buchs nicht zur Schande gereichen, sondern demselben ganz entsprechen soll. Amen!
Quelle: Betrachtungen an Weihnachten nebst Worten zum Jahreswechsel, Erscheinungsfest, Geburtstag, Carneval, Tanz und Frühling, Neu-theosophische Schrift Nr. 44, Kundgabe vom 15. März 1872