PREDIGTEN DES HERRN
- Originaltext nach der Erstausgabe von 1892 -
18.
Am Palmsonntag
Der Einzug Jesu in Jerusalem
Matthäus 21,1-17: Da sie nun nahe an Jerusalem kamen, gen Bethphage an den Ölberg, sandte Jesus seiner Jünger zwei und sprach zu ihnen: Geht hin in den Flecken, der vor euch liegt, und alsbald werdet ihr eine Eselin finden angebunden und ihr Füllen bei ihr; löst sie auf und führt sie zu mir! Und so euch jemand etwas wird sagen, so sprecht: Der Herr bedarf ihrer; sobald wird er sie euch lassen. Das geschah aber alles, auf dass erfüllt würde was gesagt ist durch den Propheten, der da spricht: Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir sanftmütig und reitet auf einem Esel und auf einem Füllen der lastbaren Eselin. Die Jünger gingen hin und taten wie ihnen Jesus befohlen hatte, und brachten die Eselin und das Füllen und legten ihre Kleider darauf und setzten ihn darauf. Aber viel Volks breitete die Kleider auf den Weg; die anderen hieben Zweige von den Bäumen und streuten sie auf den Weg. Das Volk aber, das vorging und nachfolgte, schrie und sprach: Hosianna dem Sohn Davids! Gelobt sei, der da kommt in dem Namen des Herrn! Hosianna in der Höhe! Und als er zu Jerusalem einzog, erregte sich die ganze Stadt und sprach: Wer ist der?
Das Volk aber sprach: Das ist der Jesus, der Prophet von Nazareth aus Galiläa.
Und Jesus ging zum Tempel Gottes hinein und trieb heraus alle Verkäufer und Käufer im Tempel und stieß um der Wechsler Tische und die Stühle der Taubenkrämer und sprach zu ihnen: Es steht geschrieben: Mein Haus soll ein Bethaus heißen; ihr aber habt eine Mördergrube daraus gemacht. Und es gingen zu ihm Blinde und Lahme im Tempel, und er heilte sie.
Da aber die Hohepriester und Schriftgelehrten sahen die Wunder, die er tat, und die Kinder, die im Tempel schrieen und sagten: Hosianna dem Sohn Davids, wurden sie entrüstet und sprachen zu ihm: Hörst du auch, was diese sagen? Jesus sprach zu ihnen: Ja! Habt ihr nie gelesen: Aus dem Mund der Unmündigen und Säuglinge hast du Lob zugerichtet? Und er ließ sie da und ging zur Stadt hinaus gen Bethanien und blieb daselbst.
Empfangen am 18. Februar 1872
Jesus als Wegweiser
Dieses Kapitel beginnt mit Meinem Einzug in Jerusalem, wo Ich als der demütigste Mensch auf einer Eselin, dem Bild der Demut, die Huldigung von manchem Meiner Anhänger entgegennahm und Mich dann zu den Hochmütigsten jener Zeit, zu den Hohepriestern und Pharisäern in den Tempel begab. Ich reinigte damals dem Äußeren nach dieses Bethaus vom materiellen Mist, indem Ich die Vieh- und Taubenhändler sowie die Wechsler austrieb; aber die innere Reinigung von dem geistigen Unrat in den Gemütern der Machthaber in jenen Mauern musste Ich der Zeit und ihrem freien Willen überlassen, der von ihnen einst gereinigt in Mein Reich gelangen werde.
Was dort während Meines Erdenlebens sich ereignete, hat alles seine geistige Bedeutung, auch in Bezug auf das ganze Geister- und Seelenreich.
Ich als Menschensohn auf eurer Erde stellte das Wesen Meiner Liebelehre vor wie diese alle Wandlungen des Lebens durchmachen musste, um nicht bloß als Beispiel sondern auch als erreichbares Ziel für alle geschaffenen Wesen zu dienen und gab ihnen Selbst durch dieses Mein Beispiel einen Wegweiser auf den langen Weg der geistigen Vervollkommnung, auf dem sie mit Sicherheit zum Vaterhaus zurückgelangen können, um sie so vor Irrwegen zu bewahren und zur Nachfolge anzuregen.
Voraussetzungen für Jesus Einzug in unser Herz
Mein Einzug in Jerusalem, die Reinigung des Tempels sowie Meine Gleichnisrede mit den Pharisäern und Schriftgelehrten wiederholt sich geistig noch immer in eines jeden Menschen Herzen sobald er sich nur im Mindesten für Meine Lehre empfänglich zeigt; denn auch dort ziehe Ich dann ein unter dem Bild der Demut und Sanftmut, und die frohlockende Seele, angeregt durch den in ihr ruhenden Geist, zieht Mir mit Freude und Lobgesang entgegen. Auch dort fange Ich dann an, die weltlichen Leidenschaften, besonders die Selbstsucht, von der der Handel ja ein so ausgeprägtes Bild ist, auszutreiben, und geistige Nahrung je nach der Fassungskraft der Seele in Belehrungen zu verabreichen, die, wenn sie auch nicht gleich geistig verstanden werden so wenig wie damals Meine Gleichnisse von den Schriftgelehrten und Pharisäern, so doch im Herzen die Empfindung der Wahrheit zurücklassen und dadurch zum ferneren Nachdenken anregen.
Was tun aber leider viele Menschen, bei denen Ich anfangs mit Triumph eingezogen bin, wenn es dann im Ernst auf Selbstverleugnung und Aufopferung ankommt? Sie machen es so wie die Pharisäer und Schriftgelehrten; sie verwerfen Meine Lehre und kehren Mir den Rücken, und wollen lieber Meine geistigen Eindrücke, Mein geistiges Ich bei ihnen vernichten wie die Pharisäer Meinen Leib als ihr Streben nach Glücksgütern und zeitlichem Wohlleben einem geistigen und höheren Ziel unterzuordnen.
Hindernisse auf dem Weg zur Geistigen Wiedergeburt
Mein Einzug in Jerusalem und die Tempelreinigung dort selbst stellt auch jenen Zeitabschnitt der Bekehrung des Menschen sowie der Menschheit im Ganzen dar, wo die Vorarbeiten zur geistigen Wiedergeburt durch äußere Vorkommnisse und Verhältnisse angebahnt werden, die dann stets mehr und mehr auf den eigentlichen Lebenskern, auf das Herz oder die Liebe einwirken sollen, um dann durch einen letzten Hauptangriff den ganzen Kampf gegen alle Versuchungen und Widerwärtigkeiten mit dem Sieg gegen das Hauptbollwerk, das Herz, zu vollenden.
In der ersten Zeit ging Ich Meinen größten Feinden und Widersachen aus dem Weg, und hielt Mich meist in den Dörfern und kleineren Städten Palästinas auf, wo Ich Mir unter dem mehr unverdorbenen Volk und unter den Heiden Anhänger gewann; und erst zum Ende Meiner irdischen Laufbahn begab Ich Mich freiwillig unter Meine Feinde, damit diese ihre Rachepläne an Mir ausführen und Ich durch Meinen Tod und Meine Auferstehung Meiner Lehre für die Ewigkeit Bestand und Dauer geben konnte.
So war der Same, den Ich in Palästina und an anderen Orte säte, erst zur Entwicklung, zum Wachstum und zum Ausreifen befähigt wie auch durch Meine Auferstehung Mein ganzes Werk gekrönt, und jede spätere Verfolgung die Meine Gläubigen traf, alle Trübsal und Leiden die ihnen zustießen, sie bestärkten und ihre Zahl vermehrten. Jedes Ereignis dieser Art wurde ein Stein zum Bau des großen geistigen Gebäudes, das einst als geistiges Jerusalem der Mittelpunkt alles geistigen himmlischen Lebens sein soll.
Was Jerusalem für die Juden war, das ist für Meine Geister in Meiner Schöpfung die Erde, und was der Tempel in Jerusalem war, das soll ein jeder Mensch werden, nämlich eine Wohnung Meines Geistes im Allerheiligsten seines Herzens.
Durch Kampf zum Sieg
Wie es Mir in jener Zeit erging, so wird es auch jedem einzelnen Menschen, der Mir nachfolgen will, ergehen. Je mehr er Mir sein Inneres zuwenden wird, desto mehr werden geistige oder verkörperte Feinde ihn zu bekämpfen und an seinem Fortschritt zu verhindern suchen; stets werden ihm mehr Schwierigkeiten beim Vorwärtsrücken auf seiner geistigen Bahn entgegentreten; die Welt wird ihm stets fremder werden und sich rächen ob dieser Missachtung; es werden sich Hindernisse in der gesellschaftlichen und Einsprüche in der geistigen Welt auftürmen, die der beängstigten Seele das Wandeln auf Meinen Wegen erschweren, und der Mensch wird leiden und kämpfen müssen gleich Mir bis er an dem großen Wendepunkt angelangt sein wird, wo er das Weltliche ganz verlassen und das geistige Reich mit aller Kraft ergriffen hat um die Fahne des geistigen Triumphs aufzupflanzen, oder sich den weltlichen Freuden ganz zu ergeben, oder mit anderen Worten bis der Mensch zu Mir gelangt ist, oder sich von Mir weggewendet hat.
Folgt der Mensch Meinem Beispiel, so wird ihm die Auferstehung in seiner geistigen Wiedergeburt zuteilwerden; folgt er der Welt, so wird sein Schicksal das Jerusalems sein, das zerstört und seine Einwohner unter allen Nationen der Erde zerstreut und geknechtet wurden, teilweise bis auf den heutigen Tag.
Aufgabe und Bestimmung des Menschen
Der Einzug in Jerusalem hat für die ganze Menschheit eine weit größere geistige Wichtigkeit als selbe es ahnt, er bedeutet Meine Annäherung an dieselbe, wie Ich sanft und demütig um Aufnahme in die Herzen der Menschen bitte. Ich will ihr Herz zu Meiner Wohnstätte machen und will dort geliebt und geehrt werden dadurch, dass sie Meine Liebelehre befolgen.
Wie der Tempel zu Jerusalem mit allem Glanz und Pracht jener Zeit als Gotteshaus zu Meiner Ehre erbaut wurde, so soll die Seele in ihrem Herzen ausgestattet sein mit allen geistigen Tugenden, die den Menschen erst zum Menschen und zu Meinem geistigen Ebenbild stempeln, zu dem Ich ihn einst erschaffen und bestimmt habe.
Der Tempel zu Jerusalem war ein Haus von weltlicher Pracht, aber bestimmt zu einer Wohnung geistiger Herrlichkeit, und so soll auch der Mensch ein Wesen werden, das auf der Grenze zweier Welten stehend, den Fuß auf Materielles stützt, aber den Blick und das Herz nach Geistigem richtet, und so durch ersteres zum zweiten gelangt. Diese Reinigung vom Materiellen und Anziehen des Geistigen ist die Aufgabe des Lebens auf dieser Erde; sie war Meine Mission hier, sie ist die Mission der Geister und auch die eure.
Die Zeit der Wiederkunft Jesu naht
Überall weht jetzt der geistige Wind um die Menschenherzen von den schädlichen Dünsten der Welt zu reinigen; der Herr und Vater ist schon in der Nähe und wartet nur auf die Eselin, nämlich die Demut, die ihr Ihm entgegenbringen sollt um in eure Herzen triumphierend einziehen zu können, damit auch ihr Ihm ein Hosianna einstimmen könnt.
Die große Zeit der geistigen Wiedergeburt naht, und der Vater steht vor der Tür jener Räume, die schon seit Schöpfungsanbeginn nur für den Herrn alles Seienden geschaffen und eingerichtet waren, und fordert Eingang. Macht weit auf die Tore, dass der Liebewind eure Herzen vom selbstsüchtigen weltlichen Treiben der Vieh- und Taubenhändler und der Wechsler reinigen könne, denn euer Herz ist bestimmt Mein Wohnhaus zu sein.
Die Zeit eilt und der Herr wird bald kommen um Rechenschaft zu begehren über die euch anvertrauten geistigen Gaben; vergrabt diese nicht, sondern benützt sie, damit euch im großen Geisterreich der Eintritt in das geistige Jerusalem und seinen Tempel als Wohnort eures Vaters erlaubt sei, und ihr nicht, wie die verstockten Juden, als Sklaven eurer eigenen Leidenschaften in allen den großen Räumen Meiner Schöpfung herumirrend, alles wohl finden mögt was euch einst belustigte und Freude machte, aber bei allen diesen flüchtigen Genüssen doch den größten und weit wichtigsten Genuss, den Meiner Liebe und Gnade und den, dass Ich in euch und ihr in Mir wohnt, entbehren müsst, denn wisst, wenn nicht euer Herz Mein Wohnort ist und ihr überall, wohin ihr euch auch wenden mögt, Mich nicht stets im Herzen tragt, so bin Ich für euch auch nirgends zu finden, selbst in dem großen geistigen Jerusalem nicht, das ja so nichts anderes vorstellt als das geistige Liebeprinzip und Grundwesen, das alles geschaffen hat, alles erhält und stufenweise vorwärts zu höheren geistigen Genüssen führt.
Wenn ihr mit geistigen Augen eure Zeit, ihre Ereignisse und ihr Streben betrachtet, so werdet ihr erkennen, dass die Zeit Meines Einzugs in die Seelen der Menschen nahe ist; wohl dem, der vorbereitet ist, und den Meine Ankunft nicht überrascht, ihm wird dieser Einzug ein Freudenfest sein wie es vor nahe zweitausend Jahren bei Meinen Anhängern war. Bereitet euch daher zum Empfang Meiner Lehre und dem Meiner Selbst vor, und stimmt ein in ein freudiges Hosianna. Amen.