Welche Kirche ist Gott oder Seiner eigentlichen Lehre näher?
Nachdem Ich euch diese Frage in den Mund gelegt habe, so versteht es sich von selbst, dass Ich sie auch beantworten werde. So wollen wir denn untersuchen, welcher Religionskult oder welche Glaubenslehre, die Katholische oder Protestantische, Mir und Meiner Lehre am nächsten steht, und Mir in Meinen großen Erziehungszwecken der Menschen am meisten an dir Hand geht.
Ehe wir uns nun in die Einzelheiten eines jeden Kultes einlassen, müssen wir die Religion, oder was dasselbe ist, die Lehre von Mir und Meiner Schöpfung geistig und körperlich, als notwendig von den Menschen gesucht und verlangt annehmen, und es muss sich bei dieser Sache auch herausstellen, weswegen Ich einst auf die Erde kam, was Ich dort einsetzte oder gründete, und wie selbes sich zu den bestehenden und dem kommenden Religionskult verhält.
Schon seit Erschaffung des ersten Menschen bis auf eure Zeiten blieb es stets der wesentliche Drang in den meisten, wenigstens der besseren Menschen, aus dem Bestehenden in der sichtbaren Natur schließend, und aus den Gesetzen, welche bald da und bald dort entdeckt wurden, auch einen Gesetzgeber, und zwar einen außer der sichtbaren Sphäre des Menschen anzunehmen, d.h. man fühlte sich fast überall dahin getrieben, ein höchstes Wesen anzuerkennen.
Dass dann diesem Wesen, je nach der Kulturstufe der Menschen, Eigenschaften beigelegt wurden, die bei jedem Volk anders waren, und dass manche Völker sich nicht mehr mit einem Gott begnügten, sondern zwei oder noch mehrere und endlich zahllose erdichteten, beweist euch die Geschichte der längst vergangenen heidnischen und der jetzt noch hie und da in Geisteskultur zurückstehenden Völker.
Sobald also angenommen wurde, dass es ein oder mehrere höhere Wesen gibt, so lag der nächste Schritt klar am Tag, man wollte sich diese Götter zu Gunsten einzelner oder ganzer Völker geneigt stimmen; um zu diesem Zweck zu gelangen, erbaute man Häuser, die zur Verehrung derselben bestimmt waren, und weil dort nichts anderes als lauter Loben und Bitten in Gesang, Wort und Opfer dargebracht wurden, so glaubte man auch, dieser Gott oder die Götter würden sich dann mit besonderer Vorliebe in solchen Häusern aufhalten, wo sie mit Wohlgefallen alle Bitten der Menschen anhörten, die Hilfe bei ihnen suchten.
Damit aber dann ein solcher Gott ja nicht anderen Sinns wurde, und sich vielleicht wegen den einzelnen Bitt- und Lobgebeten von diesem Ort entfernen könnte, so glaubte man Leute anstellen zu müssen, die in ihrem Leben gar nichts anderes zu tun haben sollten, als dasselbe nur dem Gott zu widmen, und fortwährend ihn lobend und preisend und ihm Opfer darbringend, dadurch ihn zu bewegen, dass er den Flehenden ihre Wünsche gewähre und seinen ihm bestimmten Aufenthalt nicht verlasse.
So entstand der formelle kontinuierliche Gottesdienst und der Religionskultus. Die Leute, die sich zu solchem Dienst hergaben, mussten natürlich von den übrigen ernährt und verpflegt werden, da sie wegen immerwährendem Dienen ihres Gottes für andere weltliche Beschäftigungen keine Zeit hatten. Die Folge davon war, dass sich so eine gewisse Kaste bildete, die wohl unter sich gewisse Gesetze einführte und danach trachteten, ihren Einfluss und ihre Macht zu vergrößern, um bequem leben zu können.
Das war der allgemeine Ursprung jedes Religionskultus, und die Tendenzen jeder Priesterschaft. Wie weit es da zu Ausschweifungen, Grausamkeiten und großem Unsinn in den Gebräuchen gekommen ist, könnt ihr aus allen Geschichten einer jeden Nation herauslesen.
Da Ich aber mit der Erschaffung des Menschen eine ganz andere Idee hatte als die Menschen mit sich selbst, so konnte Ich nicht so ruhiger Zuschauer der Verirrungen des menschlichen Geistes bleiben, und erweckte hie und da Männer, welche durch Einweihung in die Geheimnisse der Natur oder gar durch die Aufdeckung der geistigen Welt etwas klarer sahen als der übrige Haufe, und welche dann durch weise Gesetze und Ratschläge den religiösen Fanatismus entweder in Schranken hielten, oder die Menschen zum Denken an Höheres anhalten sollten.
So hatten die Indier und alle asiatischen Völker ihre Weisen und Magier, und die Völker Afrika's und Europa's ihre Wahrsager und Propheten, denen sie meist vollen Glauben schenkten.
Auf diese Art bereitete Ich auch ein Volk besonders vor, um einst Meinen großen Zwecken zu dienen; es war das Judenvolk, das mit allen seinen Fehlern und Lastern doch das einzige war, was zu Meiner künftigen Mission die besten Grundlagen in ihrem Religionskulte und in ihrem Glaubensbekenntnis hatte.
So kam der Zeitpunkt Meiner Darniederkunft auf eure Erde heran; die Religion, wie die Juden sie besaßen, war diejenige, welche sich am leichtesten in die umwandeln lies, welche Ich Meinen Kindern bringen wollte, und die nur darin bestand, dass alles, was die jüdische Religion als Grunddogmen besaß, nicht, wie es in jener Zeit bei den Juden der Fall war, dem Buchstaben nach genommen werden, sondern dem geistigen Sinn nach erforscht, und dann danach gelebt werden sollte.
Was Ich in jener Zeit tat, wie Ich wirkte während Meiner irdischen Laufbahn, vom Anfang bis zum Ende Meiner Mission, wisst ihr, und Ich brauche euch nur zu wiederholen, dass Mein einziger Zweck war, den Menschen von den geistigen Fesseln frei zu machen, und so den wahren Sinn des Religionswesens zu zeigen.
In jener Zeit war es, wo Ich die vielen Gesetze und möglichen Übertretungsfälle oder Sünden demnach erklärte, da das ganze dortige Religionssystem, wenn gleich aus 10 Geboten und vielen Satzungen bestehend, doch eigentlich nur auf zwei sich beschränke, weil Ich den Grundsatz aufstellte, je mehr Gesetze eine Religion hat, desto mehr wird dagegen gefehlt.
Ich wollte den Menschen frei von allen anderen Fesseln machen und ihn nur auf sich selbst zurückführen, und ihm womöglich diesen Richterspruch ins Herz legen: Handle stets so, dass du dich nicht selbst verachtest.
Als Meine Apostel als erste Ausbreiter Meiner Lehre nach Meinem Scheiden von dieser Erde nach und nach die Menschen zur selben bekehrten und in Gemeinden zusammenverbanden, entstand wohl auf Anraten Meiner Apostel eine Art Kultus; aber mehr patriarchalischer Natur, wo der Älteste einer Gemeinde an bestimmten Tagen die Gläubigen durch lehrreiche Worte in ihrem Wissen und Glauben bestärkte, und so Versammlungen hielt, die keinen anderen Zweck hatten als die Eintracht unter den Gliedern der Gemeinde, und die Liebe zu Mir, als Jesus und Gott, nicht erkalten zu lassen.
Aber auch dieser Kultus blieb nicht, was er anfangs war; auch er musste dem Ehrgeiz und der Genusssucht einzelner zur Beute fallen, und so entstand aus ihm von Jahrhundert zu Jahrhundert diese ganze päpstliche und klerikale Wirtschaft, welche mit ihren Satelliten den Menschen wenig positiv Gutes gebracht, sondern zumeist nur das Gegenteil davon im Auge hatten, bis Ich, des langen Harrens müde, dem ganzen Unfug ein Ende zu machen Mich entschlossen habe, so dass ihr nun schon am Anfang dieses Endes seid.
Schon früher war es mehreren Gläubigen der katholischen Kirche zu arg, wie die Priesterschaft mit ihrem Säckel und mit ihrem Gewissen umging, und es gestaltete sich darauf unter blutigen Kriegen und Opfern der Protestantismus, dem jetzt eine große Zahl Menschen huldigt.
Der Protestantismus hatte zunächst nur den Zweck, die Unfuge und Albernheiten aus dem katholischen Kultus auszurotten, und das ganze Religionsgebäude auf eine vernünftige Basis zurückzuführen.
Nachdem die katholische Priesterschaft, zwar von der Bibel und dem neuen Testament ausgehend, ihre sämtlichen Zeremonien und das ganze Glaubenswesen geschaffen hatte, aber nur ihren selbstsüchtigen Zwecken angemessen; so wollten die Protestanten als einzig wahres, das von Gott durch Eingebungen Begeisterter und von den Aposteln abstammende Wort wieder in sein altes Recht einsetzen.
Was die Protestanten dadurch erwirkten, hat auch sehr viel Löbliches an sich; sie gaben dem Menschen die Denkfreiheit zurück, erklärten die Bibel, wie weit selbe auch ins praktische Leben ihren Einfluss haben kann und soll; nur verfielen auch sie dann wieder in die nämlichen Fehler der Katholiken, nämlich sie nahmen die Bibel dem Buchstaben nach, wurden intolerant gegen alle, die es nicht auch so annehmen wollten, indem sie glauben, sie allein verstehen die Bibel, weil sie mehr als die Katholiken an der Rinde des Lebensbaumes nagen.
Hier fehlen beide; die letzten setzen die Bibel fast ganz bei Seite und lehren nach ihren verfertigten Lehrbüchern; die anderen wollen nichts von anderen Büchern wissen, glauben am direkten Festhalten des sage toten Buchstabens liegt die ganze Seligkeit, und so sind sie beide von Mir entfernt, weil sie beide die Außenseite für die Innenseite halten.
Ebendeswegen habe Ich Seher als neue Propheten zwar nach einem anderen Sinn als einst erweckt, die Mein Wort unverfälscht den Menschen wiedergeben sollen; und damit hier keine Fälschung von menschlicher Seite eintritt, so diktiere Ich nun Meinen Schreibern Selbst, was Ich von den Menschen geglaubt und befolgt wissen will.
Daher lasst Katholizismus und Protestantismus nur ihre geistige Krise durchmachen; bei letzterem wird die Umkehr leichter als bei dem ersteren sein; allein immerhin wird es schwer halten, wo Pedanterie [kleinliche Denkart, übertriebene Genauigkeit] an der Spitze steht.
Ich werde aber schon das Rechte einleiten um Meine verlorenen Schafe wieder unter Einem Hirten zu versammeln, seien es Katholiken oder Protestanten; wer Mein direktes Wort, das gewiss einfach genug ist, in sein Herz aufnimmt, wird gewiss nicht mehr gegen die Annahme desselben protestieren.
So habt ihr also diese Frage erörtert, und nächstens werde Ich euch noch andere ins klare Licht stellen, damit ihr in eurem Urteil frei und Meinen Kindern gemäß das Wahre vom Falschen unterscheiden mögt! Amen.
Quelle: Kennzeichen unserer Zeit, neu-theosophische Schrift No. 43, Kundgabe vom 11. November 1870.