PREDIGTEN DES HERRN
- Originaltext nach der Erstausgabe von 1892 -
30.
Am vierten Sonntag nach Pfingsten
Der Fischzug des Petrus
Lukas 5,1-11: Es begab sich aber, da sich das Volk zu ihm drängte, zu hören das Wort Gottes, dass er stand am See Genezareth und sah zwei Schiffe am See stehen, die Fischer aber waren ausgetreten und wuschen ihre Netze. Da trat er in der Schiffe eines, welches Simons war, und bat ihn, dass er's ein wenig vom Land führte. Und er setzte sich und lehrte das Volk aus dem Schiff. Und als er hatte aufgehört zu reden, sprach er zu Simon: Fahr auf die Höhe und werft eure Netze aus, dass ihr einen Zug tut. Und Simon antwortete und sprach zu ihm: Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen, aber auf dein Wort will ich das Netz auswerfen. Und da sie das taten, beschlossen sie eine große Menge Fische, und ihr Netz zerriss. Und sie winkten ihren Gesellen, die im anderen Schiff waren, dass sie kämen und hülfen ihnen ziehen. Und sie kamen und füllten beide Schiffe voll, so dass sie sanken. Da das Simon Petrus sah, fiel er Jesu zu den Knieen und sprach: Herr, geh von mir hinaus! Ich bin ein sündiger Mensch. Denn es war ihn ein Schrecken angekommen, ihn und alle, die mit ihm waren, über diesen Fischzug, den sie miteinander getan hatten; desgleichen auch Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, Simons Gesellen. Und Jesus sprach zu Simon: Fürchte dich nicht; denn von nun an wirst du Menschen fangen. Und sie führten die Schiffe zu Land und verließen alles und folgten ihm nach.
Empfangen am 1. April 1872
Wie sich Jesus damals Seine Jünger auswählte
In diesem Kapitel Meines Evangelisten Lukas handelt es sich nicht um Gleichnisse und Bilder, in denen das Geistige zu suchen wäre sondern um die Gewinnung einiger Meiner eifrigsten Jünger, des Petrus, früher Simon genannt, und seiner Mitarbeiter Jakobus und Johannes, Söhne des Zebedäus.
Das Evangelium erzählt wie Ich diese Fischer dadurch gewann, dass Ich ihnen zeigte, dass, wer festes Vertrauen zu Mir hat, in seinen Hoffnungen nie betrogen werden wird, vorausgesetzt, dass seine Wünsche auch in Meinen Augen als billig und gerecht gelten und nur den geistigen Fortschritt bezwecken wollen.
Das Auswerfen des Netzes von Seiten Simons im Glauben und Vertrauen auf Mich und der darauf folgende reiche Fischfang bewies den Fischern, dass Meine Macht größer als die sonst obwaltenden Umstände war und zeigte ihnen auch, dass ihr Vertrauen in Mich nicht unbelohnt geblieben ist; sie erkannten den Unterschied zwischen Mir und sich, und Simon rief bittend: Herr, geh von Mir, denn ich bin ein sündiger Mensch, worauf Ich, seinen künftigen Beruf andeutend, erwiderte: Fürchte dich nicht, von nun an wirst du Menschen fangen.
Dass Ich beinahe alle Meine Jünger gerade aus dem Fischerstand wählte hatte seinen Grund darin, dass diese Menschen durch die Gefahren, denen sie auf dem Meer fast immer ausgesetzt waren, mehr an einen Gott und an eine göttliche Vorsehung glaubten; mithin religiöser und frömmer und auch vermöge ihrer Hauptnahrung, die meist aus Fischen bestand, friedlicher gesinnt waren als andere fleischessende Menschen.
Ich kettete die Umstände gewöhnlich so, dass sie, ohne Meine Absicht zu merken und Meinen Einfluss zu fühlen, selbst zu Mir kamen und Mir nachfolgten. Dieses war auch hier der Fall; Ich wollte durch ein Wunder ihre Herzen gewinnen und sie zu dem geistigen Schritt bewegen alles zu verlassen und nur Mir allein zu folgen, was eben nicht so leicht war als ihr vielleicht glaubt. Ich musste aber diese Bedingung als Hauptsache aufstellen, denn in jener Zeit und gemäß dem künftigen Lehrberuf Meiner Jünger war, Mir folgen und gleichzeitig der Welt oder seiner Familie angehören, eine Unmöglichkeit.
Heutige Anforderungen an die Nachfolger Jesu
Heutzutage habe Ich nicht mehr nötig, Meinen Nachfolgern solche harte Bedingungen aufzuerlegen weil die Verhältnisse andere geworden sind; es würden aber, so Ich es verlangen würde, Meine Nachfolger an Zahl wohl sehr zusammenschmelzen; denn so an bequeme Familien- und häusliche Lebensverhältnisse schon von Jugend an gewöhnt, würde es den meisten, die jetzt sich voll Eifer für Meine Lehre zeigen, beinahe eine Unmöglichkeit sein wie Meine einstigen Jünger alles zu verlassen und Mir nachzufolgen.
Auch unter euch, die ihr euch so begeistert für Mich und Meine Lehr wähnt, würden wenige die Charakterstärke besitzen diesen Schritt Mir zuliebe zu tun wenn ihr Mich auch sichtbar in eurer Mitte leben und wirken sähet wie einst Meine Apostel. Allein gut für euch! Ich habe solche Mittel jetzt nicht mehr nötig und weiß wohl auf anderen Wegen Meinen Zwecke gerade so zu erreichen wie einst unter jenen Bedingungen, deren pünktliche Erfüllung erst Meine Nachfolger zu Meinen Jüngern stempelte.
Jetzt verlange Ich von euch und allen denen die Mir nachfolgen wollen die Eigenschaften Petri, nämlich sein unbegrenztes Vertrauen in Mich und die klare Erkenntnis eurer eigenen Unwürdigkeit.
Eben seine Überzeugung, dass er nicht würdig sei in Meiner Nähe zu leben, diese freiwillige Erniedrigung vor Mir hat den Fischer Simon zum Fels, zum Petrus gemacht, auf welchen Ich wie Ich sagte, Meine Kirche bauen will, die alle Mächte der Hölle nicht zu zerstören vermögen werden. Das schon bei der ersten Begegnung gezeigte Vertrauen zu Mir verstärkte sich ferner noch immer mehr und wurde zum Fels wie sein Glaube.
Unter allen Umständen an Glauben und Vertrauen festhalten
Bei Besprechung dieses Textes führe Ich euch besonders den Petrus vor die Augen, und zwar tue Ich es deswegen, damit Ich euch einen Mann zeigen könne, dem ihr im Glauben und Vertrauen nachfolgen sollt.
Auch Johannes, als personifizierte Liebe, soll für euch ein Leitstern erster Größe am geistigen Himmel sein; aber um ihm ähnlich zu werden und seinen Beinamen ‚Mein Liebling‘ zu verdienen, müsst ihr vorerst durch die Schule Petri gehen, und diese ist für euch die Welt mit ihren Versuchungen.
Zwischen den Klippen der Welt, inmitten allerlei Versuchungen, wo nur das Schöne, was von außen glänzt und das Angenehme, das keine Beständigkeit sondern Moder und Verwesung in sich birgt, für wichtig gehalten wird, müssen alle möglichen Verhältnisse und Ereignisse dazu beitragen, euren Glauben und Vertrauen zu Mir zu stärken, und da gerade werdet ihr sehen, auf welchen schwachen Füßen eure eigene moralische Kraft steht. Mitten im Weltgetriebe müsst ihr stets Meine Allmacht und eure Ohnmacht im Auge haben, sonst ist es unmöglich zur Ruhe Johannes zu gelangen, der nur kindliche und innige Liebe und Verehrung für Mich fühlte.
Diese zarten Regungen, dieses gänzliche Hingeben in Meine Hände, dieses Leben nur für das Geistige, ist den Menschen und auch Meinen Anhängern in den jetzigen Weltverhältnissen nicht so leicht möglich sondern für die selben schwer ausführbar, da der Verfall der Welt und deren immerwährendes Eindringen ins geistige Leben der Menschen zu mächtig ist, als dass jemand sich überhaupt von demselben befreien könnte.
Eure Aufgabe, die Aufgabe Meiner jetzigen und künftigen Anhänger und Nachfolger ist daher, vorerst euer Inneres, geistiges Ich auf festen Glauben und Vertrauen auf Mich zu stützen, fest darauf bauend, dass Ich euch nicht verlassen werde wenn euch die Umstände auch scheinbar auf andere Wege hindrängen sollten als auf solche, die zu Mir führen.
Was Ich als Sohn und Vater oder Weisheit und Liebe in der Schöpfung geistig bin, das stellten Petrus und Johannes als Meine Jünger vor. Petrus war die der Welt gegenüber zu beobachtende Klugheit, und Johannes die trotz allem Falschen in der Welt nie schwindende Herzensgüte, Eigenschaften, erstere Meiner Weisheit, letztere Meiner Liebe, entsprechen.
Fasst auch ihr die Worte, die Ich einst zu Meinen Jüngern sprach, nämlich: Seid listig wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben geistig auf, denn die List der Schlange bedeutet in geistiger Entsprechung die Weltklugheit, und die Einfalt der Tauben bezeichnet die friedliche, nichts Arges oder Schlechtes denkende oder ausübende Tugend.
Sich seiner eigenen Unzulänglichkeit bewusst sein
Ihr seht nun wieder, wie in den Worten, Werken und Wundern Meiner Lehrjahre alles geistigen Ursprungs ist und alles eine geistige Bedeutung hat, und es genügt, dass man mit den Augen des Geistes die innere Bedeutung dieser Ereignisse wohl erwägt, wo sodann der dichte Schleier der Unverständlichkeit sich nach und nach lüftet, und reine, lichte Wahrheit erscheint, wo man vorher nur rätselhafte, unzusammenhängende Worte gelesen hatte.
So wie die Natur dem geistig Fortgeschrittenen, dem Wiedergeborenen ein lebendiges Buch wird woraus er nicht, wie viele, nur Vorteile fürs weltliche Leben sondern Mahnungen und geistige Winke für die sich danach sehnende Seele aufgezeichnet findet, ebenso ist Meine Bibel eine ewige Fundgrube, worin die herrlichsten Wahrheiten verborgen liegen, die Ich jenen vorbehalten habe die durch Petri Schule gegangen, bei der Liebe Johannis angelangt sind.
Befleißigt auch ihr euch, obwohl ihr mitten unter Dornen dahin wandeln müsst, unverletzten Fußes euer Ziel zu erreichen, das am Ende aller Versuchungen und Kämpfe die unbegrenzte Liebe eures Vaters sein soll, die das Vertrauen und den Glauben, die ihr während eures Erdenlebens gezeigt habt, reichlich belohnen wird.
Gebt euch aber nicht dem Wahn hin, als wärt ihr schon die Auserwählten, die Unfehlbaren, sondern erinnert euch recht oft Meines Mahnrufs an Petrus vor Meiner Gefangennahme, wo Ich eben diesen sich stark Glaubenden durch Meine Vorhersage: Ehe der Hahn krähen wird, wirst du Mich drei Mal verleugnet haben, an seine schwache menschliche Natur erinnerte, die er einst beim Fischfang erkannte als er zu Mir sprach: Geh hinweg von Mir, o Herr, denn ich bin ein sündiger Mensch; denn auch er zeigte sich am Ölberg stark, schlug mit dem Schwert drein und war voll Glaubens und Vertrauens, aber kurz danach verleugnete er Mich aus Furcht vor einer Magd.
Verlasst Meinen starken Arm nicht, vertraut auf Mich und nicht auf eure Stärke, denn ein leichter geistiger Windstoß genügt oft, das ganze stolze Gebäude geistigen Selbstbewusstseins und sittlicher Stärke wie ein von Kindern errichtetes Kartenhaus über den Haufen zu werfen, und ihr habt dann das an euch selbst erfahren was einst Petrus erfuhr, nämlich, dass ihr ohne Mich nichts, mit Mir aber alles vermögt.
Auch ihr seid wie einst Simon bestimmt, Menschen in Mein Glaubensnetz zu ziehen, aber ihr müsst bei euch zuerst anfangen und nicht außer Acht lassen, dass nicht Worte, sondern Taten im edelsten Sinn es sind, die eure Brüder und Schwestern in Meine Hände führen.
Aber bevor dieses möglich ist, müsst ihr selbst schon die Lebensklugheit Petri und die Liebe Johannis im Herzen haben, und stets eurer Schwäche und Meiner Stärke eingedenk sein. Auf diese Art vollführt ihr Meinen Willen in Bezug auf euch und in Bezug auf andere, wozu Mein Segen euch nie ermangeln wird. Amen.
Anmerkung:
Die Schiffspredigt, von der in diesem Evangelium die Rede ist, ging bei der ersten großen Kirchenversammlung verloren. Sie wurde uns durch Jakob Lorber wiedergegeben, s. Himmelsgaben Band 2, Seite 202 (Kundgabe vom 16. Mai 1843) oder hier.