PREDIGTEN DES HERRN
- Originaltext nach der Erstausgabe von 1892 -
42.
Am sechzehnten Sonntag nach Pfingsten
Die Heilung eines Wassersüchtigen
Lukas 14,1-6: Und es begab sich, dass er kam in ein Haus eines Obersten der Pharisäer an einem Sabbat, das Brot zu essen; und sie hatten acht auf ihn. Und sieh, da war ein Mensch vor ihm, der war wassersüchtig. Und Jesus antwortete und sagte zu den Schriftgelehrten und Pharisäern und sprach: Ist's auch recht, am Sabbat zu heilen? Sie aber schwiegen still. Und er griff ihn an und heilte ihn und ließ ihn gehen. Und antwortete und sprach zu ihnen: Welcher ist unter euch, dem sein Ochse oder Esel in den Brunnen fällt, und der nicht alsbald ihn herauszieht am Sabbattag? Und sie konnten ihm darauf nicht wieder Antwort geben.
Empfangen am 24. April 1872
Die Geschehnisse in damaliger Zeit
Der Anfang dieses Kapitels zeigt euch die Heilung eines Wassersüchtigen, und zwar erstens im Haus eines Obersten der Pharisäer, und zweitens noch an einem Sabbat, wo nach den strengen Vorschriften der Juden gar nichts zu tun erlaubt war, außer den vorgeschriebenen religiösen Gebräuchen nachzukommen.
Dass diese Heilung gerade unter den angeführten Umständen vorgenommen wurde, hatte seinen Grund, da eben dieser Oberste zwar ein Anhänger Meiner Lehre war, jedoch die Satzungen des Tempel nur im buchstäblichen Sinn auffasste und Mich wohl gern anhörte, wenn Ich nur nichts lehrte oder unternahm, was gegen seine Ansichten und gegen seine Würde als Pharisäer verstieß.
Geflissentlich ließ Ich es daher zu, dass während Ich am Tisch bei ihm saß, ein mit Wassersucht behafteter Mann ins Zimmer trat und Mich um Heilung seiner Krankheit anflehte.
Dass Ich ihn heilte bezeugt das Evangelium, aber dass Ich ihn gerade an einem Sabbat heilte, das erregte Anstoß, wodurch Ich aber den Pharisäern wieder klar zeigen wollte, wie schlecht sie ihren eigenen Gesetze verstanden und wie falsch sie selbe dem Volk beibrachten.
Ich wies sie darauf hin, dass, so ihnen ein Ochse oder ein Esel an einem Sabbat in einen Brunnen fiele, sie ihn doch sicher herausziehen würden, da dies ihr eigener Vorteil erfordere, während sie aber das für Sünde hielten, wenn an einem Sabbat ein gutes Werk an anderen oder für andere verrichtet würde. Daher wollte Ich ihnen durch diese Tat beweisen, dass Wohltaten und guten Handlungen üben einen Sabbat oder Feiertag nicht nur nicht entheilige, sondern im Gegenteil ihn sogar mehr heilige als viele nutzlosen Gebräuche und Tempelzeremonien, die gedankenlos vollführt werden.
Bei dem jüdischen Volk gab es derlei Misszustände in Menge. Obwohl sie die Gesetze Mosis und die Propheten hatten, so wussten sie den Wortlaut derselben nicht geistig zu deuten, und wurden auch von den Pharisäern und Schriftgelehrten in ihrer irrigen Auffassung bestärkt, da auch den letzteren sehr viel daran lag, die Gesetze so auszulegen wie sie es für gut fanden, und wo es dann eben nicht viel Mühe kostete, ein Jude im Buchstabensinn des Gesetzes zu sein.
Daher Meine Darniederkunft gerade inmitten dieses Volks, das schon lange eine Religion besaß, die als Unterbau zu Meiner Liebeslehre am ehesten tauglich war, und wo es nur darauf ankam die alten Gesetze geistig zu erklären und nicht sie aufzuheben, und auf diese Weise die Menschenwürde zu retten, die nahe daran war, in lauter Tempelzeremonien und selbstsüchtigen Genüssen unterzugehen.
Während Meiner drei Lehrjahre verfolgte Ich stets diesen Zweck, führte Gelegenheiten herbei oder ließ solche zu, die Anlass geben mussten, um gegen die falschen Ansichten und Vorurteile der Juden anzukämpfen.
So war auch die rechte Feier des Sabbats ebenfalls eine Frage, die Ich als Stifter Meiner allein wahren Liebes-Religion nicht unberührt lassen konnte. Um diese Vorurteile auszurotten, fing Ich gerade im Haus eines Obersten der Pharisäer an gegen selbe zu handeln, damit diese Handlung einen Grund zu Erklärungen abgeben sollte. Weil nun die Pharisäer aber die ersten waren, die alles besser wissen und verstehen wollten und eigentlich auch sollten, eben darum mussten sie auch die ersten sein, die von ihren irrigen Begriffen gereinigt werden sollten, damit sie in diesem Sinn auch auf das übrige Volk einwirken konnten.
Die Pharisäer und Schriftgelehrten hatten vom Wohltatenerweisen eine ganz andere Ansicht, sodass Ich Mich oftmals genötigt sah, ihnen die Nächstenliebe in Beispielen und Gleichnissen näher auseinanderzusetzen, denn bei ihnen war nur der ein Wohltäter, der den Tempel und ihre Person damit bedachte; alles andere, das an anderen Menschen getan wurde, war für sie nicht der Beachtung wert.
Grund für die Einsetzung des Sabbats
Schon dort wurde die Feier des Ruhetages jeder Woche falsch aufgefasst wie es auch heutzutage noch geschieht, und es ist deshalb auch wie für damals so für heute noch angezeigt, anschließend an diesen Heilungsakt an einem Sabbat euch zu zeigen, dass auch ihr noch weit davon entfernt seid diesen Tag so zu feiern wie es Moses gemeint hat und Ich Selbst es verstanden wissen möchte, nämlich ihn zu eurer geistigen Erziehung zu verwenden.
In der Welt gab und gibt es stets Befehlende und Gehorchende, und es war von je her der Fall, dass die Befehlenden meist nur ihren eigenen Nutzen im Auge hatten, die Arbeitskraft der Gehorchenden missbrauchten, und ihnen weder Zeit noch Ruhe gönnten um auch nur wenigstens einmal in der Woche das Zeitliche beiseitesetzen und sich geistigen Betrachtungen hingeben zu können, nämlich weshalb sie leben, was sie als Mensch sind und was aus ihnen einst werden soll.
Dies war der Grund warum Moses, durch Meinen Geist veranlasst, unter anderen Geboten auch die Feier des Sabbats als Ruhetag als Gebot aufstellte, und das, was die Mächtigen ihren Untergebenen nicht freiwillig gewähren wollten, als von Gott anbefohlen hinstellte, ja bildlich in der Schöpfungsgeschichte Mich als Schöpfer Selbst nach sechstägiger Arbeit den siebten Tag als einen Ruhetag einsetzen ließ.
Diese Einführung, die zur Hebung und Bewahrung der geistigen Würde des Menschen notwendig war, ist auch von anderen Völkern angenommen worden, und besteht jetzt fast überall; und wenn dieser Tag auch nicht immer auf den eigentlichen Sabbat der Juden oder auf euren Sonntag fällt, so ist doch immer ein Tag in der Woche festgesetzt, der zum Ausruhen von körperlicher Anstrengung bestimmt, zum Eingehen in sich selbst und zum Nachdenken über die geistige Aufgabe des Menschen dienen sollte.
Der Missbrauch des Ruhetags
Was die Juden durch buchstäbliche Auffassung zu viel taten, das tun die christlichen Völker gewöhnlich zu wenig, denn dort war das Gebet und die strengste Heiligung des ganzen Tages anbefohlen, während die Namenchristen glauben, ein zweitweiser Kirchgang genüge zur Heiligung des Sonntags, die übrige Zeit könne man mit Vergnügungen aller Art, mit Schlemmen und Prassen zubringen.
Es wird an einem Sonn- oder Feiertag im Ganzen mehr Schlechtes getan als während der ganzen Woche, wo der Beschäftigung wegen die Zeit und Gelegenheit fehlt. Die Priester denken gewöhnlich nur wie die Pharisäer an ihre Macht und ihr Ansehen, und setzen die Kirche, sowie die Pharisäer den Tempel, als erstes vorne an.
Die meisten Kirchgänger glauben sich mit Mir abgefunden zu haben, wenn sie an Sonn- oder Feiertagen ein paar Stunden in einer Kirche zugebracht, ein Dutzend nichtssagende Gebete heruntergeplappert, und wenn sie auch oft schlafend den Predigten des Priesters beigewohnt haben, so sind sie doch in der Kirche gewesen. Dem Ehrgeiz der Priester ist Genüge geschehen, wenn sie die Kirche voll menschlicher Leiber sehen, wenn auch die Seelen derselben sich entweder mit gar nichts, oder mit ganz etwas anderem beschäftigen, als was ihre Veredelung erfordert.
So greift der Missbrauch immer mehr um sich, und jetzt sucht man die Gewissen der Untergebenen sogar durch Gelderwerb zu beschwichtigen, damit sie den Ruhetag selbst aufgeben, und sucht ihnen das Wenige was sie noch glauben auszureden, ohne ihnen aber dafür etwas Besseres zu geben.
So geht der Verfall von Stufe zu Stufe weiter, die Arbeitgeber glauben dadurch einen Gewinn erreicht zu haben, dass ihr Eigennutz freiwillig vom Eigennutz der Arbeitenden unterstützt wird; doch sie irren sich gewaltig und werden sehen zu was es führt, wenn man dem Arbeiter auch noch die wenigen geistigen Elemente entzieht, aber durch Vermehrung des Gewinns auch seine Genusssucht und Laster vermehrt.
Die Besitzenden verachten oft alles was sich auf Mich und Meine Lehre bezieht, und dieses Beispiel ahmen dann auch die Untergebenen nach, und so siegt das Materielle über das Geistige immer mehr, bis Ich endlich die Verhältnisse so stellen werde, dass die Ersteren die Früchte ihrer Selbstsucht ernten müssen, welche Ernte aber ganz anders ausfallen wird, als sie es sich träumen lassen.
Wie wir den Ruhetag feiern sollten
Der Sonn- und Feiertag soll ein Tag sein, wo die irdische Tätigkeit ruht, nicht aber die geistige, damit Meine Natur ihre ewig gleiche Sprache an alle Herzen richten kann, ihnen zurufend: Vergesst über eure Sorge um den Leib doch nicht eure Seele und ihren Schöpfer, Der so viel Herrliches und Wunderbares auf dieser Erde geschaffen hat, um euch dadurch Seine Liebe und väterliche Fürsorge für euch zu zeigen. Bedenkt aber auch, dass ihr nicht für diese Welt allein bestimmt seid, und dass ihr neben euren materiellen Aufgaben auch geistige auszuführen habt.
Ich Selbst setzte bildlich nach Moses Schöpfungsgeschichte den siebten Tag als Ruhetag für die Materie ein, und ließ an diesem Tag den Geist in die bis dahin starre Hülle eintreten, nachdem Ich durch sechs Tage Mich mit derselben beschäftigt hatte, und dieser Tag, an dem Ich die Materie mit dem Geistigen durchdrang und dadurch zum Geistigen zu erheben suchte, war der Tag der Weihe und ein rechter Feiertag.
So soll auch der Mensch, wenn er sechs Tage gearbeitet hat, am siebten sein Werk betrachten, ob er in selben die geistige Idee wahrnimmt, die ihn zu diesem Werk antrieb. Es soll dieser Tag ein Ruhetag vom materiellen Tun, ein Tag der Feier in geistiger Hinsicht sein, an dem er bedenken und anerkennen soll, dass sein materielles Schaffen eine geistige Grundlage haben muss. Er soll sich Meiner, Meiner Liebe und Aufopferung, Meiner Lehre und Meiner Schöpfung erinnern; er soll das Materielle abstreifend sich dem Geistigen nähern, wozu alles Geschaffene einmal gelangen muss. Jeder soll diesen Tag feiern als einen Erinnerungstag Meiner Liebe, zum dankbaren Andenken an alles, was Ich auch für ihn getan habe; dann wird derselbe auch für die folgenden Werktage ein sanftes religiöses Gefühl zurücklassen, durch das selbst die materiellste Arbeit geheiligt wird, und so kann der Mensch auf alles was er tut, den Stempel seiner eigenen Göttlichkeit drücken.
In diesem Sinn soll der Sonn- oder Ruhetag von euch verstanden und gefeiert werden, wobei ihr euch auch immer erinnern sollt, dass euer eigentlicher geistiger Sabbat oder Ruhetag erst dann kommen wird, wenn ihr der materiellen Hülle ledig in der anderen Welt als vergeistigte Seelenmenschen ankommen werdet mit dem Bewusstsein, das Materielle geadelt, d.h. nur im Hinblick auf das Geistige alles getan und verwendet zu haben.
Nehmt diese allwöchentlichen Ruhetage in höherem geistigen Sinn; sucht durch des Buchstabens harte Rinde das Geistige zu erkennen, denn das ist was euch beseligen kann. Vergeistigt alles, euch selbst, eure Worte und Taten, und sucht auch auf eure Umgebung vergeistigend einzuwirken, und es wird dann nicht nur der siebte, sondern ein jeder Tag, an dem ihr geistig vorwärts schreitet, ein Feier-Tag sein, der wie die Sonne, von der der Sonntag den Namen hat, Licht, Wärme und Leben über euch und eure Umgebung ausgießen wird.
Jeden Tag sollt ihr eures Schöpfers würdig, euer Ziel klar erkennend, von Stufe zu Stufe vorwärts schreiten, bis ihr des ewig dauernden Feiertags teilhaftig werdet in jenem Reich, wo jeder Tag ein Tag der Weihe und des Friedens ist, wie es ein liebender Vater Seinen Kindern schon von unendlichen Zeiten her bereitet hat. Amen.