Gottfried Mayerhofer - Predigten des Herrn - Gottfried Mayerhofer

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PREDIGTEN DES HERRN
- Originaltext nach der Erstausgabe von 1892 -
10.
Am fünften Sonntag nach Weihnachten

Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg
Matthäus 20,1-16: Das Himmelreich ist gleich einem Hausvater, der am Morgen ausging, Arbeiter zu mieten in seinen Weinberg. Und da er mit den Arbeitern eins ward um einen Groschen zum Tagelohn, sandte er sie in seinen Weinberg. Und ging aus um die dritte Stunde und sah andere an dem Markt müßig stehen und sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg; ich will euch geben, was recht ist. Und sie gingen hin. Abermals ging er aus um die sechste und die neunte Stunde und tat gleichso. Um die elfte Stunde aber ging er aus und fand andere müßig stehen und sprach zu ihnen: Was steht ihr hier den ganzen Tag müßig? Sie sprachen zu ihm: Es hat uns niemand gedingt. Er sprach zu ihnen: Geht ihr auch hin in den Weinberg, und was recht sein wird, soll euch werden. Da es nun Abend ward, sprach der Herr des Weinberges zu seinem Schaffner: Ruf die Arbeiter und gib ihnen den Lohn und heb an an den Letzten bis zu den Ersten. Da kamen, die um die elfte Stunde gedingt waren, und empfing ein jeglicher seinen Groschen. Da aber die ersten kamen, meinten sie, sie würden mehr empfangen; und sie empfingen auch ein jeglicher seinen Groschen. Und da sie den empfingen, murrten sie wider den Hausvater und sprachen: Diese haben nur eine Stunde gearbeitet, und du hast sie uns gleich gemacht, die wir des Tages Last und die Hitze getragen haben. Er antwortete aber und sagte zu einem unter ihnen: Mein Freund, ich tu dir nicht Unrecht. Bist du nicht mit mir eins geworden für einen Groschen? Nimm, was dein ist, und geh hin! Ich will aber diesem letzten geben gleich wie dir. Oder habe ich nicht Macht, zu tun, was ich will, mit dem Meinen? Siehst du darum so scheel [neidisch], dass ich so gütig bin? Also werden die Letzten die Ersten und die Ersten die Letzten sein. Denn viele sind berufen, aber wenige auserwählt.


Empfangen am 11. Januar 1872

Warum Jesus in Gleichnissen redete

Dieses Gleichnis sowie viele andere, die noch in der Reihenfolge dieser Mitteilungen besprochen werden, hatten den Zweck, den Juden durch vergleichen von Geistigem und Materiellem und durch Übertragungen geistiger Wahrheiten ins praktische Leben das geistige mehr begreiflich, mehr verständlich zu machen; außerdem war auch damals, wie heute noch im Orient, die Bilder- und Gleichnissprache mehr gebräuchlich als bei euch, wo man das Gewisse dem Vergleichenden vorzieht.
Es liegt aber in diesen Gleichnissen immer noch ein anderer, tieferer, geistiger Sinn, der sowohl damals passte wie er auch für alle kommenden Zeiten stets seinen gleichen Wert haben wird.
Diesen geistigen Sinn wollen wir nun etwas näher beleuchten und seine Wichtigkeit hervorheben, weil nur er das Wesentliche, der Kern, das Gleichnis aber nur die Schale oder die Umhüllung ist und war.


Der Vergeistigungsprozess dargestellt am Bild eines Weinbergs

Nun seht, in jenem Gleichnis sagte Ich: Das Himmelreich gleicht einem Weinberg. Der geistige Sinn dieser Worte muss auf den eigentlichen Begriff zurückgeführt werden, was denn eigentlich ein Weinberg ist, um das richtige Bild des Gleichnisses noch besser einzusehen und zu begreifen.
Seht, ein Weinberg ist ein Stück Land, wo aus dem Boden mittels Anpflanzung von Reben das Ätherische der Erde in Geistiges verwandelt, in der Traube zu Wein vorgebildet, und in selbem so die zersetzten Elemente aus gröberen Stoffen der Erde in feinere, geistigere umgewandelt werden.
Was ist aber neben der Erde noch besonders zum Ausreifen der Traube nötig? Es ist das Licht der Sonne, denn ohne diesen Wecker von oben entwickelt sich aus der Erde kein geistiges Produkt. Die Sonne muss mit ihren Lichtstrahlen erst die in der Erde schlummernden Elemente wecken, mit ihrer Wärme selbe vergeistigen helfen, und so durch den Kreislauf im Rebstock durch Wurzeln, Äste, Blätter und Blüten das Höchste, die Frucht, herausbilden, das endlich wieder erst in seinem Zersetzungsprodukt sichtbar zeigt, welche Fülle von geistigem Stoff in der Traube verborgen liegt, wenngleich dieser geistige Stoff erst dann sich zu zeigen beginnt wenn die Traube aufgehört hat, Traube zu sein.
Hier habt ihr also den Weinberg, wo drei Dinge einwirken müssen um auf höhere Stufe stehendes Geistiges hervorzubringen, nämlich Erde, Wasser und Licht.
Wenn ihr nun diese Erklärung auf Mein Reich anwenden wollt, so wird euch auch der Vergleich desselben mit einem Weinberg schon mehr einleuchtend sein.
In Meinem Reich ist ebenfalls das Höchste nur Geistiges in geistigen Wesen verkörpert, was sich auch erst aus dem Einfachsten, Unvollkommensten, Niedrigsten der Schöpfung entwickeln und zu immer höherer Vervollkommnung gelangen muss.
So wie der ganze Weinbildungsprozess vom rohen Saft, den die Wurzeln des Weinstocks aus der Erde saugen bis zum Weinmost der im Fass gärt, ein fortwährendes Verwandeln, Läutern und Verfeinern der Stoffe ist, so werden auch in Meiner ganzen Schöpfung alle geschaffenen Dinge stets vorrückend mehr geläutert und verfeinert bis beim Zerfall des Materiellen das Geistige leicht, ätherisch umkleidet heraustreten kann.
So wie die Wurzel des Rebstocks aus der Erde die ihr zusagenden Stoffe zieht, die weiter zum Aufbau der ganzen Pflanze dienen, ebenso liegt die Wurzel des Geistigen im Materiellen, dort sind ihre ersten Anfänge, von dort entbindet sich, was zum Aufsteigen fähig ist. Das Starre wird teilweise aufgelöst und verflüssigt, das Flüssige verdampft teilweise, nunmehr befähigter geworden, Geistiges aufzunehmen und steigt auf in die Luft, wo diese so wie Licht und Wärme das Ihrige tun, den Vergeistigungsprozess weiterzuführen.
Im flüssigen und luftförmigen Zustand kann diese nun schon vergeistigtere Materie in die höher entwickelteren Formen der Schöpfung, in das Pflanzen- und Tierreich eintreten, indem sie diesen zur Ernährung dient.
Auf diesen Stufen wird sie wieder weiter veredelt und steigt aufwärts bis zum Menschen, der dann als letzter Sprössling der Erde schon die erste geistige Stufe zu Meinem Reich wird. Der Mensch ist der Traube gleich, in welcher alle Elemente zum köstlichen Wein vorbereitet liegen.
So wie in der Traube, so ist auch im Menschen schon alles derart gebildet und geformt, dass der Einfluss von oben immer stärker, und der von unten immer schwächer werde.
Wenigstens war das so seine Bestimmung, das Abweichen von diesem, von Mir ihm vorgezeichneten Weg und seine Endartung infolge dessen, wird später in diesem Gleichnis zur Sprache kommen.
Durch die Auflösung des menschlichen Körpers tritt der Mensch ins Geisterreich über, wo geistig sich der gleiche Prozess wiederholt.
Wie auf Erden der unvollkommenste, an die feste Materie gebundene Geist oder besser geistiges Element allmählich bis zur höchsten auf Erden zu erreichende Stufe, nämlich sich bis zum Menschen emporgeschwungen hat, so muss der Geist im Geisterreich wieder als einfache Menschenseele anfangen und bis zum größten Engelsgeist, ja bis zu Mir Selbst fortschreiten.
In dieser Hinsicht gleicht also das Himmelreich einem Weinberg, weil in dem einen wie in dem anderen der Läuterungsprozess vom Groben zum Feinen, vom Festen und Unbeweglichen zum Beweglichen, von der Materie zum Geist vollzogen wird.


Die Entwicklungsstufen der Menschen und der Werdegang der Gotteslehre

In diesem Weinberg also, wie das Gleichnis sagt, sucht ein Hausvater Arbeiter zur Bearbeitung desselben. Was der Eigentümer des Weinbergs im weltlich-natürlichen Sinn sucht, das suche Ich im Geistigen.
Ich suche ebenfalls Seelen, die Mich, Meine Schöpfung und sich selbst begreifend, sich dazu hergeben wollen, Meine Liebesgebote zu erfüllen, und durch ihre Lehren und ihr Beispiel dazu beitragen sollen, die noch an und in der Materie gebundenen Geister zu befreien, um so das von Mir Ausgegangene Mir wieder, und zwar geläutert, verfeinert, vergeistigt zuzuführen.
So wie der irdische Hausvater schon früh morgens, und dann zu verschiedenen Stunden des Tages ausgeht um Arbeiter für seinen Weinberg zu dingen, so suche auch Ich als himmlischer Hausvater oft schon in den frühesten Jahren so wie in allen Altersperioden, im Kindes-, Knaben-, Jünglings-, Mannes- und Greisenalter diejenigen wieder zu gewinnen, die Mir bis dahin verloren nicht wussten, was ihre Mission auf dieser Welt, und was ihr Zweck in der anderen ist.
Auch die Völker gehen im Großen den gleichen Gang in ihrer Entwicklung wie ein Mensch ihn im Kleinen in seinen verschiedenen Lebensphasen durchmacht; auch sie stehen teils noch im Kindes-, teils im Knaben-, Jünglings-, Mannes- oder Greisenalter, und auch hier komme Ich zu den verschiedenen Zeiten ihrer Entwicklung um Arbeiter für Mein Reich zu dingen, die berufen werden um den anderen Menschen ihres Volksstamms zu höherer geistiger Entwicklung behilflich zu sein, gerade so, wie die Arbeiter in einem Weinberg durch Bearbeitung des Bodens und des Weinstocks den noch unvollkommeneren rohen Naturstoffen dazu behilflich sind, dass sie zu einer höheren Entwicklungsstufe der Vergeistigung gelangen können.
Auch die verschiedenen Wirkungen Meiner Lehre bei einzelnen Menschen wie bei ganzen Völkerfamilien entsprechen den verschiedenen Entwicklungsstufen der Menschen wie auch den verschiedenen Tagesstunden; so entspricht der blinde Glaube dem Kindesalter, die Zeit des Fragens dem Knaben-, die des Zweifels dem Jünglings-, die des klaren Bewusstseins dem Mannes-, und endlich die Zeit der Reife, die der nahen bevorstehenden Verwandlung entgegengeht, dem Greisenalter.
Meine erstes Kommen fiel in das Knabenalter der Menschheit, besonders des jüdischen Volks, und der mit ihm in Verbindung stehenden Völkerschaften, wo die erwachten Gemüter anfingen, über das ihnen blind zu glauben Anbefohlene nachzudenken, selbes zu beurteilen, und darüber Fragen zu stellen. Um den Fragenden nun eine wahre und klare Antwort zu geben, trat Ich gerade in jener Zeit auf, und bedingte auch Arbeiter für denselben Zweck.
Darauf folgte das Jünglingsalter der Menschheit, wo neben der höchsten Begeisterung für Meine Lehre sich auch die bestialische Natur des Menschen zeigte. Auch da suchte Ich Arbeiter für Meinen Weinberg, und viele zeugten von Mir indem sie als Märtyrer ihre Mission vollendeten.
Durch dieses Treiben und Hin- und Herwogen zwischen großen Ideen und den niedrigsten selbstsüchtigsten Leidenschaften zwischen Geist und Materialismus reifte das Mannesalter der betreffenden Menschheit heran. Auch zu dieser Stunde des Tages suchte Ich Arbeiter für Meinen Weinberg, denn noch viel war zu tun, viel zu reinigen, damit das Ansetzen und Ausreifen der Frucht gehörig vor sich gehen konnte.
Ich suchte und fand, wenn auch spärlich, Kämpfer für Mein Reich, die Meine Lehre von dem, in selbe durch selbstsüchtige Interessen verschiedener Machthaber hineingekommenen Unkraut mit der klaren Einsicht des Mannesalters reinigen sollten; leider aber führte, was Liebe und Duldung vollbringen sollte, der blinde Eifer bei der verderbten Menschennatur zu Hass und Verfolgungen, und es entstanden die Religionskriege, wobei man mit Feuer und Schwert vernichtete und trennte, was Liebe besiegen und vereinen sollte.
Doch jene, die die Welt nach ihrem Plan verdummen und mit Blindheit schlagen wollten, sie fielen schon und werden noch in die Grube fallen die sie für andere gegraben haben; die Reformen, denen die Menschheit entgegengeht, werden ganz anders ausfallen als man es sich ausgedacht hatte.
Und so hatten diese Meine Arbeiter, wenngleich noch nicht alles vollbracht, doch wenigstens bedeutend zur Ausreifung der Trauben, aus denen einst der geistige Himmelswein gepresst und gekeltert werden soll, beigetragen.
Nun ist die Menschheit ins Greisenalter getreten, es naht sich die Zeit der Weinlese im geistigen Sinn genommen, Ich komme nun noch einmal in der letzten Stunde und suche Arbeiter für Meinen Weinberg. Es kommt die Zeit, wo die Trauben abgenommen und sortiert werden, und durch die Presse der zur weiteren Vergeistigung bestimmte Most von den Trebern mit Gewalt abgesondert werden wird, d.h. geistig verstanden so viel als, das alte, üble Angewohnte, was nicht leicht mehr auszurotten sein wird durch Liebe und Sanftmut, wird durch die Macht der Umstände mit Gewalt entfernt werden, um dann mit dem besseren Teil den weiteren Vergeistigungsprozess anzustreben.


Berufene und Auserwählte – die Stunde des Lohnempfangs rückt heran

Alle Menschen sind berufen zur Vergeistigung der Materie mitzuwirken, doch nur wenige sind auserwählt zu Arbeitern in Meinem Weinberg. Es sind diejenigen, die die Arbeit nicht scheuend trotz des Kampfes mit Sorgen und Elend dennoch die Fahne des Glaubens an Mich stets hochhalten. Manche habe zwar auch viel gelitten und erduldet durch einen frommen aber unnötigen Fanatismus, diese werden die Murrer im Jenseits sein wenn sie diejenigen am ersten den Lohn empfangen sehen werden, auf die sie auf Erden vielleicht mit Geringschätzung herabschauten, denn diejenigen die voll Demut ihren Lohn für viel zu groß halten, werden die Ersten, d.h. die Glücklichsten sein, während jene, die für ihre größere Mühe auch einen höheren als den bedungenen Lohn beanspruchen, und die später Gekommenen um ihrer geringeren Mühe bei gleichem Lohn nicht für voll ersehen, weniger glückselig, also die Letzten sein werden.
Doch die ewige Liebe, die alles wieder ausgleicht, wird auch dort noch Mittel und Wege finden um die Wunden, die Stolz und Neid geschlagen haben, zu heilen, wo nur falsche Ansichten zu Grunde lagen.
Die Menschheit ist nun in das Greisenalter eingetreten, und alles ahnt einen baldigen Umschwung der Dinge; daher die Unruhe in den Gemütern, daher die Hast, Schlechtes möglichst zu verbessern, daher der Eifer der Arbeiter am Abend, um noch in dieser kurzen Zeit des geistigen Lebens das zu ersetzen, was sie bis dorthin nicht verrichten konnten.
Die Stunde, wo jeder seinen Lohn empfangen soll, der denen gebührt, die, ob früh oder spät, wahre Vertreter und Ausbreiter Meiner Lehre waren, rückt heran. Seht auch ihr zu, dass ihr nicht bloß zu den Berufenen, sondern auch zu diesen Auserwählten gehört. Amen.


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