Gottfried Mayerhofer - Predigten des Herrn - Gottfried Mayerhofer

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PREDIGTEN DES HERRN
- Originaltext nach der Erstausgabe von 1892 -
11.
Am sechsten Sonntag nach Weihnachten

Das Gleichnis vom Sämann und dem Samen
Lukas 8, 4-15: Da nun viel Volks beieinander war und sie aus den Städten zu ihm eilten, sprach er durch ein Gleichnis: Es ging ein Sämann aus, zu säen seinen Samen. Und indem er säte, fiel etliches an den Weg und ward zertreten und die Vögel unter dem Himmel fraßen's auf. Und etliches fiel auf den Fels; und da es aufging, verdorrte es, darum dass es nicht Saft hatte. Und etliches fiel mitten unter die Dornen; und die Dornen gingen mit auf und erstickten's. Und etliches fiel auf ein gutes Land; und es ging auf und trug hundertfältige Frucht. Da er das sagte, rief er: Wer Ohren hat, zu hören, der höre! Es fragten ihn aber seine Jünger und sprachen, was dies Gleichnis wäre? Er aber sprach: Euch ist es gegeben zu wissen das Geheimnis des Reich Gottes; den anderen aber in Gleichnissen, dass sie es nicht sehen, ob sie es schon sehen, und nicht verstehen, ob sie es schon hören. Das ist aber das Gleichnis: Der Same ist das Wort Gottes. Die aber an dem Weg sind, das sind, die es hören; danach kommt der Teufel und nimmt das Wort von ihrem Herzen, auf dass sie nicht glauben und selig werden. Die aber auf dem Fels sind die: wenn sie es hören, nehmen sie das Wort mit Freuden an; und die haben nicht Wurzel; eine Zeitlang glauben sie, und zur Zeit der Anfechtung fallen sie ab. Das aber unter die Dornen fiel, sind die, so es hören und gehen hin unter den Sorgen, Reichtum und Wollust dieses Lebens und ersticken und bringen keine Frucht. Das aber auf dem guten Land sind, die das Wort hören und behalten in einem feinen, guten Herzen und bringen Frucht in Geduld.


Empfangen am 20. Januar 1872

Das Wort Gottes ist der Same

Dieses Gleichnis vom Sämann und dem Samen, das Ich einst Meinen Jüngern und dem Mich umgebenden Volk gab, ist nach seiner Form wie Ich es gegeben habe leicht zu verstehen, umso mehr, als selbst im Evangelium die zeitgemäße Erklärung steht wie Ich sie dort Meinen Aposteln, aber nicht dem Mir zuhörenden Volk gegeben habe.
Dieser Erklärung nach soll unter dem Samen Mein Wort verstanden werden, das Ich als Sämann aussäe. Ein Teil des Samens fällt auf den Weg, d.h. einige die Mein Wort hören, nehmen es gleichgültig auf und gehen darüber hinweg, indem sie sich nicht weiter darum bekümmern, selbes missachten und nur ihren weltlichen Interessen huldigen.
Ein Teil fällt auf felsigen Grund, d.h. das Wort gelangt in solche Herzen, die es wie die Gelehrten und Theologen nur insoweit annehmen als es in ihr wissenschaftliches System passt; sobald aber andere Ansichten sich geltend machen, die dem Verstand entwachsen sind, so hört Mein Wort bei jenen auf zu wirken, weil es eben neben ihrer weltlichen Verstandeswissenschaft sehr wenig oder keine Nahrung mehr bekommt.
Ein Teil fällt zwischen die Dornen, wächst mit diesen auf und wird, weil diese kräftiger und schneller wachsen, von ihnen erstickt, d.h. Mein Wort wird von manchen nur insofern geglaubt und ausgeübt als es sich mit ihren weltlichen Ansichten vereinen lässt; stößt es aber gegen solche an und verlangt es Aufopferung und Selbstverleugnung, so wird es beiseite gesetzt und kann dann keine Frucht bringen; es bleibt höchstens bei schönen Worten, aber zu Taten kommt es nie.
Und etliches fiel auf ein gutes Land, und es ging auf und trug hundertfältige Frucht. Was das heißt, wisst ihr; und so habt ihr hier die Erklärung, die Ich schon Meinen Aposteln gegeben habe. Es kommt jetzt also darauf an, wie dieses Gleichnis auf die jetzige Zeit anzuwenden und ob demselben ein noch anderer, tieferer Sinn abzugewinnen ist.


Durch tatkräftige Annahme des göttlichen Wortes ein Kind Gottes werden

Bevor wir nun in der Erklärung weitergehen wollen, müssen wir uns erst den Begriff verdeutlichen, was ist eigentlich der Same? Was bezweckt sein Ausstreuen, und was ist die Absicht des Sämanns damit? Nur nach dieser Erklärung kann erst eine wahre Deutung und Erklärung der geistigen Entsprechung des ganzen Gleichnisses kommen.
Ihr sprecht der Worte viele aus, und seid euch doch nie deren ganzen Tiefen und geistigen Bedeutung bewusst; nur wer der Worte tiefsten Sinn und geistige Entsprechung kennt, der ist erst im wahren Sinn seiner Sprache mächtig, und jedes Wort, das dann aus seinem Mund fließt ist ein Strahl des Geisteslichts, dass auch die Seele in ihm erleuchtet und selbe vergeistigend stufenweise zur Vereinigung mit Mir leitet.
Daher ist zwischen Sprechen und Sprechen ein großer Unterschied, man kann viel reden und doch nichts sagen, während einer geistigen Rede gewichtiger Sinn inhaltsschwer sich gestalten kann.
So wollen wir also mit dem Wort Samen zuerst anfangen, und selbes nebst seiner Bedeutung näher betrachten.
Seht, der Same ist ein kleines Ding im großen Universum, der überall, in welcher Form er auch auftritt, Großes, ja Unendliches in sich birgt. Aus einem Samenkorn entstehen ewig und ewig fort stets Produkte derselben Gattung, zu der der Same selbst gehört.
So war es bei der Erschaffung der materiellen Welt nur einmal nötig, die Dinge einzeln zu erschaffen, indem Ich in selbe zugleich den Keim zur weiteren Fortpflanzung legte, sodass die Wirkung des sich aus sich selbst Entwickelns in Ewigkeit nicht mehr aufhören wird, solange noch Elemente im Erdboden und in der Luft vorhanden sind die zur Entwicklung des Samens nötig sind.
So wie der Same eines Baumes zum Beispiel alle Keime seiner zukünftigen Bestimmung in sich trägt, ebenso war auch Mein Wort als Produkt Meines Geistes ein solches Samenkorn, das nie mehr vergeht, ewig fortdauern muss, und fortwährend Neues erzeugt.
Daher sagt Mein Evangelist Johannes ganz richtig: Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott.
Ich als Gott bin also das Wort, und das Wort ist auch zugleich das Samenkorn, woraus stets ewig wieder nur Göttliches entstehen wird, und wo dieses Wort hinfällt, erregt es wie ein Same den Grund auf den es gefallen ist zur Tätigkeit, oft bleibend, oft nur vorübergehend.
Ich als Sämann streue Meine Samen über die gesamte Schöpfung aus, und da der Boden wie bekannt nicht überall gleich gut und aufnahmefähig ist, so kann natürlich auch wie im Gleichnis gesagt ist, nicht jedes Samenkorn gleich gedeihen; und es bringt daher eines mehr, das andere weniger oder auch gar keine Frucht, weil erstens selbst die Welten Meiner Schöpfung nebst ihren Bewohnern nicht alle auf einer und derselben Stufe stehen; und zweitens die Menschen überall den freien Willen haben zu tun und zu lassen, was ihnen gut dünkt.
Deswegen die verschiedenen geistigen Resultate auf allen Weltkörpern und bei den verschiedenen Menschen, und die ungleich langen Wege, die sämtliche erschaffene Wesen gehen müssen um zu ihrem Ziel, nämlich zur Vergeistigung ihrer Seele, zu gelangen.
Ich als Sämann streue Meinen Samen, das ist Mein Wort, überall aus, und jede Seele ist ihres freien Willens gemäß selbst schuld, wenn er gleichgültig aufgenommen nicht Wurzeln fasst oder schon als kleines Pflänzchen wieder zugrunde geht, indem das steinige Erdreich ihres Herzens ihm keine Nahrung gewährt, oder die Weltliebe ihn wieder erstickt; solche Seelen werden erst eine herbe Schule durchzumachen haben, wo die Härte ihres Herzens durch manche bittere Zulassung erweicht, die Dornen ausgerottet, und sie sodann zu einem fruchtbaren Boden für Mein Samenkorn werden.
Wo aber Mein Wort ein gut vorbereitetes Ackerfeld findet, dort wird es als Samenkorn aufgehen, wachsen und Früchte bringen, woran dann die anderen sich ein Beispiel nehmen können.
Mein Wort wurde und wird als Same, als das göttliche Wort der Liebe, noch täglich ausgesät, von Mir und Meinen Auserwählten, um die Menschen zu wahren Menschen, d.h. sie Meiner würdig zu machen, um als Ebenbilder Meines göttlichen Ichs nach und nach das zu werden wozu Ich sie bestimmt habe. Viele hören diese Worte, doch um danach zu leben, dazu kommt es bei einem aus Leichtfertigkeit, bei dem anderen aus Gleichgültigkeit, bei dem dritten aus Weltsüchtigkeit nicht.


Die Zeit der Scheidung der Geister hat bereits begonnen – Aufgabe der Nachfolger Jesu

Darum rufe Ich auch heute wie damals wieder: Wer Ohren hat zu hören, der höre! Denn nachdem Ich als Sämann schon lange gesät habe, so werde Ich nun bald als Hausvater mit Meinen Schnittern kommen, um Ernte zu halten.
Was für Früchte werde Ich wohl bei solchen finden, bei denen Mein Same auf den Weg fiel und zertreten oder von Vögeln aufgefressen wurde, die nur ihr eigenes Interesse im Auge haben? – Oder was für Früchte werde Ich bei denen finden und ernten können, bei denen der Same auf den steinigen Boden egoistischer Herzen gefallen ist, wo er, ohne Nahrung zu erhalten, verdorrte? Und was dort, wo das aufwachsende Pflänzchen zwischen den Genüssen der Welt erstickte? – Wenige sind es nur, die trotz Misshelligkeiten, Kämpfen und Leiden Mein Wort im Herzen behalten, es sorgfältig pflegen und es auch in Taten ausüben; viele sind zwar berufen, durch ein Leben auf Erden nach Meiner ihnen erteilten Lehre sich eine bleibende Seligkeit für das jenseitige Leben zu erwerben; doch gibt es nur wenige Auserwählte, die eine Siegespalme erlangen indem sie wirklich das Ziel erreichten, das sie erreichen sollten.
Denn wie Ich durch Mein Beispiel zeigte, dürfen Meine Nachfolger Armut, Verachtung, Verfolgungen, ja selbst Misshandlungen nicht scheuen, wie Ich ja Selbst arm geboren, verfolgt, gelästert, und endlich am Schandpfahl hingerichtet wurde. Aber so wie Ich durch Meine Auferstehung und Heimkehr in Mein Reich Welt, Tod und Hölle überwand, so werden einst auch diejenigen triumphieren, die Meiner Lehre gefolgt und in Meine Fußstapfen getreten sind; sie werden einst belohnt werden durch das Bewusstsein, für Liebe, Recht und Wahrheit gelitten und gekämpft, aber auch gesiegt zu haben.
Die Zeit bricht an, wo der Weizen in die Scheuern gesammelt, das Unkraut aber verbrannt werden soll, um nochmals einen Veredelungsprozess, wenn auch auf einem längeren Weg, durchzumachen, und an der Frucht werden die Schnitter den Weizen vom Unkraut unterscheiden.
Schon beginnt überall diese Sichtung. Wenn auch Tausende Samenkörner zertreten, aufgefressen, verdorrt oder erstickt sind, so genügen doch diese, die auf gutes Erdreich, d.h. in gläubige Herzen fielen, um damit eine neue Aussaat zu machen, d.h. um Licht unter die Dunkel-Gebliebenen zu verbreiten; und so wird und kann nicht vernichtet werden, was Ich als Schöpfer schuf, und was Ich als Jesus mit dem Kreuzestod besiegelte, nämlich Mein Wort, das göttliche Aussaat, und zwar für die Ewigkeit ist; ein Samenkorn genügt, des Guten in Fülle zu zeugen und über die Welt auszustreuen.
Wenn die Ernte auch klein sein wird, was tut es? Der Beweis liegt ja eben im Kleinen, im Samenkorn, dass das Große nie verwelkt und verwest, sobald es im Kleinsten eingehüllt, die größten Wirkungen hervorzubringen vermag. Daher lasst eure Herzen nicht versteinern noch mit Dornen bewachsen, haltet sie stets bereit zur Aufnahme und zum tatsächlichen Wachstum Meines Worts in euch, damit Ich als Sämann bei euch eine reichliche Frucht vorfinde, und euch in Meine Scheuern sammeln könne. Darum: Wer Ohren hat, der höre solange es noch Zeit ist. Amen.




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