Gottfried Mayerhofer - Predigten des Herrn - Gottfried Mayerhofer

Direkt zum Seiteninhalt
PREDIGTEN DES HERRN
- Originaltext nach der Erstausgabe von 1892 -
39.
Am dreizehnten Sonntag nach Pfingsten

Die Heilung der zehn Aussätzigen
Lukas 17,5-19: Und die Apostel sprachen zum Herrn: Stärke uns den Glauben! Der Herr aber sprach: Wenn ihr Glauben habt wie ein Senfkorn und sagt zu diesem Maulbeerbaum: Reiß dich aus und versetz dich ins Meer, so wird er euch gehorsam sein. Welcher ist unter euch, der einen Knecht hat, der ihm pflügt oder das Vieh weidet, wenn er heimkommt vom Feld, dass er ihm alsbald sage: Geh alsbald hin und setz dich zu Tisch? Ist's nicht so, dass er zu ihm sagt: Richte zu, was ich zum Abend esse, schürz dich und diene mir, bis ich esse und trinke; danach sollst du auch essen und trinken? Dankt er auch dem Knecht, dass er getan hat, was ihm befohlen war? Ich meine es nicht. So auch ihr; wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so sprecht: Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren. Und es begab sich, da er reiste gen Jerusalem, zog er mitten durch Samarien und Galiläa. Und als er in einen Markt kam, begegneten ihm zehn aussätzige Männer, die standen von fern und erhoben ihre Stimme und sprachen: Jesu, lieber Meister, erbarm dich unser! Und da er sie sah, sprach er zu ihnen: Geht hin und zeigt euch den Priestern! Und es geschah, da sie hingingen, wurden sie rein. Einer aber unter ihnen, da er sah, dass er geheilt war, kehrte um und pries Gott mit lauter Stimme und fiel auf sein Angesicht zu seinen Füßen und dankte ihm. Und das war ein Samariter. Jesus aber antwortete und sprach: Sind ihrer nicht zehn rein geworden? Wo sind aber die neun? Hat sich sonst keiner gefunden, der wieder umkehrte und gäbe Gott die Ehre, denn dieser Fremdling? Und er sprach zu ihm: Steh auf, geh hin; dein Glaube hat dir geholfen.


Empfangen am 15. April 1872

Zu der Heilung der zehn Aussätzigen

In diesem Kapitel ist die Tat angeführt, dass Ich durch Meinen Willen zehn Aussätzige heilte als sie, durch den Glauben an Meine Worte gestärkt und auf selbe vertrauend, sich den Priestern zeigen wollten, wo beim Eintritt in die Synagoge der Aussatz von ihnen wich, denn mit dem Aussatz behaftet wäre ihnen der Eintritt dort streng verboten gewesen, da solche Kranke sogar im gewöhnlichen Leben jede Gesellschaft gesunder Menschen wegen Ansteckungsgefahr streng meiden mussten.
Diese Tat war also ein Beweis, was der feste Glaube und das unerschütterliche Vertrauen vermögen, wenn beide die Seele ganz beherrschen.
Ich sagte auch damals zu den Jüngern, als sie Mich baten, dass Ich ihren Glauben stärken soll: Wenn ihr Glauben habt so groß nur als ein Senfkorn, und sagt zu diesem Maulbeerbaum: Reiß dich aus und versetz dich ins Meer, so wird er euch gehorchen.
Was diese Worte geistig bedeuten, zeigte Ich eben kurz nachher durch die Heilung dieser zehn Aussätzigen, damit Meine Jünger die Wirkung des Glaubens, der ihnen selbst bei vielen Gelegenheiten mangelte, sähen.
Da nun dieses Beispiel festen Glaubens als Schrifttext für diese Sonntagspredigt gewählt ist, so wollen wir eben betrachten was Glauben heißt, denn dieses Wort ist zwar in vieler Mund, jedoch in wenigen Herzen.
Ich muss diese Erklärung vorausschicken, sonst versteht ihr nicht einmal das Gleichnis, das Ich Meinen Jüngern mit dem Maulbeerbaum gab, umso weniger aber die Handlung mit den zehn Aussätzigen. Habt ihr das Erste erfasst, was man unter Glauben zu verstehen hat, dann erst können wir auf die Beziehungen desselben zu euch und auf die jetzigen und künftigen Zustände übergehen, wo auch des einen Samariter gedacht werden wird, der allein zurückkehrte, dem Herrn, also Mir, zu danken.
Alles hat seine Ordnung, wer ein Haus baut, fängt auch nicht beim Dach sondern bei den Grundmauern an, sind diese gut aufgeführt, so ruht dann auch das Dach auf sicherer Grundlage; so ist es im materiellen, so im geistigen Leben. Daher die vielen Erklärungen, die Ich euch gebe, daher die vielen Beleuchtungen oft ein und desselben Gegenstands, damit ihr geistig hören und sehen lernt, und nicht Menschen gleicht, in deren Augen tausende von Wundern Meiner Schöpfung sich widerspiegeln, die aber davon nichts merken, weil ihre Seele mit etwas ganz anderem beschäftigt ist.
In der vorhergehenden Predigt erklärte Ich euch die Selbstliebe und die Nächstenliebe, in der heutigen sollt ihr erfahren was Glauben heißt, denn dieses Wort wird so oft ausgesprochen, aber kaum von einem unter Tausend geistig in seiner höchsten Bedeutung aufgefasst.


Was Glauben heißt

Seht, in jener Zeit, wo Ich Meine Jünger sichtbar und persönlich führte und vor ihnen Wunder wirkte, wussten diese doch eigentlich noch nicht was Glauben heißt, und Ich musste es ihnen mehrmals erklären. Und ihr, die ihr so viel Himmelsbrot von Mir fast täglich erhaltet, glaubt denn ihr, dass ihr wisst, was Glauben heißt? – Ich muss euch sagen, ihr begreift dieses Wort ebenso wenig, und zeigt täglich und stündlich, dass ihr sehr wenig Glauben habt, trotzdem ihr meint, wenn ihr auch im Lieben schwach, dass ihr doch im Glauben stark wärt.
Was heißt demnach eigentlich Glauben? – Nun die meisten von euch würden vielleicht antworten: Glauben heißt so viel als überzeugt sein, dass das oder jenes wirklich so ist wie man es mir sagt oder klar macht, oder Glauben heißt, sich auf die anerkannte Glaubwürdigkeit desjenigen stützen, der mir dies oder jenes sagt, oder ich glaube etwas weil derjenige, der es mir sagt und dem ich Glauben schenke, davon überzeugt sein wird. Solche und ähnliche Antworten werdet ihr überall bekommen, die aber alle beweisen, auf welchen schwachen Füßen dieser Glaube steht.
Einen solchen Glauben meinte Ich aber nicht als Ich zu Meinen Jüngern sagte: So ihr glaubt, so heben sich Berge hinweg. Dieser Glaube muss ganz anders beschaffen sein als wie er gewöhnlich beschaffen ist; und der Ausspruch: Der Glaube macht selig bedeutet einen ganz anderen Zustand als je durch Glauben, wie ihn die Priester dem Volk beibringen wollen, erreicht worden ist, denn Ich zweifle sehr, ob mit dem angewohnten Glauben schon jemand selig geworden ist, wenn er diesen Begriff nicht nach Meinem Sinn sondern nach dem der Priester aufgefasst hat.
Der Glaube, den Ich Meine Jüngern lehrte, und dessen Kraft Ich bei verschiedenen Gelegenheiten und auch in diesem Fall durch die Heilung der zehn Aussätzigen tatsächlich zeigen und begreiflich machen wollte, ist eine weit mächtigere Kraft in der geistigen Welt als ihr glaubt und wähnt, denn dieser Glaube ist die feste Überzeugung, dass dies oder jenes unabänderlich geschehen muss.
Dieser Glaube ist ein Eingreifen in Meine Macht, eine Teilung Meiner Allmacht, die Ich gerne jenen zulasse, die wahrhaft den Namen Meiner Kinder verdienen; die aber auch wohlgemerkt von dieser ungeheuren Kraft nie Missbrauch machen werden weil sie nur zu klar und deutlich einsehen, wie groß dieses Geschenk von Seiten eines allmächtigen Schöpfers ist, das nur ein liebendes Kind als Geschenk vom Vater erfassen kann.
Dieser Glaube war es, den die zehn Aussätzigen so fest erfasst hatten, dass sie, obwohl noch mit der Krankheit behaftet, im Vertrauen auf Mein Wort zu den Priestern hingingen fest überzeugt, Mein Wort als göttliches Wort könne nicht trügen und müsse sich erfüllen wie Ich es gesagt hatte, so sie es nur glaubten.


Die Macht des Glaubens

Diesen Glauben, wer hat ihn von euch? Legt die Hand auf euer Herz und fragt euch, und ihr werdet wie Meine Jünger bekennen müssen: Solchen Glauben begreifen wir nicht. Solcher Glaube, solche feste unwandelbare Überzeugung, solches festes Vertrauen in Deine göttlichen Verheißungen fehlt uns gänzlich, wir sind dessen noch nicht fähig.
Und Ich antwortete euch: Ja, Ich weiß, dass ihr solchen Glaubens noch lange nicht fähig seid, denn sonst würdet ihr die Seligkeit empfinden, die der wahre Glaube hervorbringt, mit Gotteskraft ausgerüstete Götter in menschlicher Hülle zu sein. Welch großes Feld der Wirksamkeit sich da vor euch öffnen würde, wie viel Gutes ihr da stiften könntet, und wie erhaben ihr da über dem niedrigen Getriebe gewöhnlicher Menschen stündet, das könnt ihr wohl nicht begreifen; ein solcher Glaube würde euch selig und überglücklich machen, denn ihr würdet das langsame Aufgehen eures Ichs in dem Meinen gewahren, wenn ihr euch mit solcher Macht ausgestattet fühlen würdet, wie sie dem ersten Menschen verliehen, aber von ihm selbst wieder verscherzt worden ist.
Dieser Glaube, diese feste Überzeugung, war und ist es, was damals noch Meinen Jüngern sowie auch jetzt fast allen Menschen mangelt, und deswegen will Ich euch aufmuntern, nach solchem Glauben, der sich auf die Liebe zu Mir gründet, mit allem Eifer zu streben, denn wenn er gleich nicht so leicht zu erringen ist, da viel Beherrschung und große Sittenreinheit dazu gehört, so könnt ihr doch in Momenten höchster Begeisterung dieses Glaubens und der daraus hervorgehenden göttlichen Macht teilweise teilhaftig werden, da ihr doch einmal die Idee begriffen habt von diesem mächtigen Werkzeug Meiner göttlichen Macht und Liebe, mittelst dessen Ich Mir aus Meinen Kindern Mithelfer erziehen will.
Ihr versteht das Wort „ich will“ noch nicht, denn dieses Wort gründet sich auf den Glauben, dass das, was man will, auch unabänderlich geschehen muss. Diese Macht des Willens ist derjenige Glaube, der Berge versetzen kann, d.h. der sich dem, dem menschlichen Verstand noch unbekannten geheimsten Gesetz der Natur bedient, um nach ihm so manches möglich zu machen, was bis jetzt zu den Unmöglichkeiten gehörte oder vielmehr dazu gezählt wurde.
Aber wohlgemerkt! Da muss alles was ihr wollt, erstens nur zu geistigen Zwecken, und zweitens nur durch Mich und Meine Macht gewollt werden, denn ohne selbe seid ihr ohnmächtig und nur mit ihr allmächtig.
Was ist denn das Auflegen der Hände im Magnetismus anderes als die Willenskraft oder eben dieser Glaube, der fest und unerschütterlich auf Mich vertrauend, Übel in kurzer Zeit behebt, die sonst noch längere Zeit bestanden hätten.
Diesem Glauben weicht alles, nicht dass das Bewirkte außer dem Bereich der Naturgesetze läge, nein, sondern diese Gesetze, die sich der menschlichen Erkenntnis und Verwendung bis jetzt entzogen haben, werden dem Menschen dann nur dienstbar und gehorchen ihm als geistiges Wesen, als Abkömmling von Mir, während sie dem materiellen Menschen in seinem Grübeln und Forschen Hohn sprechen.


Von der Dankbarkeit

Sobald aber dieser Glaube sich in ein Menschenherz eingebürgert hat, so wird auch die Anerkennung und Danksagung für das von oben erhaltene Geschenk darin leben.
Dort im Evangelium im 15. Vers heißt es, dass einer der zehn Geheilten zurückkehrte um Mir seinen Dank auszusprechen. Um den Juden aber es recht begreiflich zu machen wie undankbar sie für empfangene Wohltaten waren, so musste es gerade ein Samariter sein, der sie beschämte. Diesen Stamm ihres Volkes hielten die Juden selbst für den verächtlichsten, bei dem sie alle schlechten, aber keine guten Eigenschaften vorhanden glaubten.
Schon im vorigen Evangelium war es ein Samariter, der den Priestern und Pharisäern als Beispiel dafür dienen sollte, dass man nichts, und umso weniger Menschen verachten soll, welchen Stamms und welcher Abkunft sie auch immer sein mögen; und auch diesmal musste gerade wieder einer aus jenem verachteten Stamm die stolzen und sich besser dünkenden Juden beschämen um ihnen zu beweisen, dass niemand so schlecht sei, dass er nicht Nächstenliebe üben könnte, und dass man bei ihm nicht auch gute, ja oft bessere Eigenschaften antreffen könnte als bei manchen geachteten und hochgestellten Menschen.
Ein Beispiel auch für diese Zeiten, wo so mancher auf seine Mitmenschen wie jener Pharisäer auf den Zöllner oder wie ein Jude auf einen Samariter herabblickt.
Dass eben von den zehn Aussätzigen nur einer, und zwar derjenige zurückkehrte, von dem man es am wenigsten erwartet hätte, zeigt, dass der wahre Glauben eben auch nur in ihm Wurzel geschlagen hatte und er, übermannt von der Gnade des Herrn, nicht anders konnte als Dem die Ehre zu geben, von Dem die Gnade ausgegangen war.
So wird es auch mit den Gnadengaben im Leben der Menschen sein; nur diese werden sich der schönen Erfolge ihres festen Glaubens und Vertrauens in Mich und ihre eigene Willenskraft zu erfreuen haben, die, wenn sie alles getan haben was ihnen befohlen ist, demütig bekennen, dass sie nur unnütze Knechte seien und nur getan haben was sie zu tun schuldig waren.
Ich ließ bei diesem Akt der Heilung zu, dass neben dem festen Glauben auch die geistig wertvollere Eigenschaft der Dankbarkeit gegenüber dem Undank veranschaulicht werde.
Eine empfangene Wohltat, die kein Dankgefühl für den Geber bewirkt, zeigt, dass der Empfänger die Wohltat entweder gar nicht oder nur teilweise empfindet. Statt dass durch die Wohltat die Liebe zu dem Geber und die Demut durch das Erkennen der eigenen Ohnmacht beim Annehmen der Wohltat geweckt würde, zeigt derjenige, der eine Wohltat keines Dankes Wert hält, seinen Stolz oder Geringschätzung, Gleichgültigkeit, Verachtung oder Hass gegen den Geber; ja es reut ihn wohl gar, dass Umstände es erheischten, anderen zum Dank verpflichtet geworden zu sein.
Die Dankbarkeit, mit Demut gepaart, ist himmlischer, der Undank höllischer Natur.
So wollte Ich in diesem Akt dem nachdenken Erforscher dieser Tat noch nach Jahrtausenden zeigen, dass, so groß auch die Macht des Glaubens bis zur höchsten Steigerung sein kann, selbe doch keinen geistigen Wert hat, wenn man nicht vor wie nach der Tat im Aufblick nach oben zuerst seine eigene Ohnmacht und danach die Allmacht Dessen sich vergegenwärtigt, Der den Menschen, diesen winzigen Wurm des Staubes, mit solcher Kraft ausstatten kann.
Demjenigen Menschen, der sich seines göttlichen Ursprungs bewusst, nur nach oben blickt, und alles von dort Erhaltene wieder demütig und dankend auf dem Altar der Liebe niederlegt, dem wird die Kraft seines Wollens durch Meinen Willen verstärkt werden. In solchen Herzen lebt als Frucht des Glaubens die Überzeugung, die dem Menschen durch das Bewusstsein dieser Kraft die Seligkeit gibt, die nur ein Kind genießen kann, das die Macht seines liebendes Vaters erkennt und weiß, dass ihm diese jeder Zeit zu Gebote steht, wo es selbe in richtiger Art verwenden will.
Nach diesem Bewusstsein, nach dieser Würde trachtet, und wo ihr euren Dank durch stets erhöhte Liebe zum Vater bezeugt, da wird auch die Erfüllung des Gewollten eure Wünsche krönen.


Glauben und Vertrauen, das Fundament geistigen Lebens

Darum nehmt dieses Evangelium auf als einen Wegweiser im Irrgarten des Lebens; baut euer Seelengebäude auf diesen festen Grund, damit Ich auf diese Grundmauern bald das Dach, das ist die geistige Welt oder Mein geistiges Reich, aufsetzen kann, das von euch Ausgeführte dann unter geistige Obhut nehmen wird, wo ihr dann unter diesem Schutz, je nach Maßgabe eures Glaubens, von Stufe zu Stufe über andere Wesen gestellt, ihnen auch beibringen sollt, was Ich während eures Lebens euch oft fühlen ließ, und zwar die unendliche Liebe als Vater und die unbegrenzte Macht als Kinder, wenn ihr fest glauben und vertrauen gelernt habt. Amen.


Zurück zum Seiteninhalt