Gottfried Mayerhofer - Predigten des Herrn - Gottfried Mayerhofer

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PREDIGTEN DES HERRN
- Originaltext nach der Erstausgabe von 1892 -
50.
Am vierundzwanzigsten Sonntag nach Pfingsten

Die Stillung des Sturms
Matthäus 8, 23-27: Und er trat in das Schiff, und seine Jünger folgten ihm. Und sieh, da erhob sich ein großes Ungestüm im Meer, so dass auch das Schifflein mit Wellen bedeckt ward; und er schlief. Und die Jünger traten zu ihm und weckten ihn auf und sprachen: Herr, hilf uns, wir verderben! Da sagte er zu ihnen: Ihr Kleingläubigen, warum seid ihr so furchtsam? Und stand auf und bedrohte den Wind und das Meer; da ward es ganz still. Die Menschen aber verwunderten sich und sprachen: Was ist das für ein Mann, dass ihm Wind und Meer gehorsam ist?


Empfangen am 1. Mai 1872

Das Verzagen der Jünger

Dieses Evangelium erzählt euch, dass, als Ich einst mit Meinen Jüngern ein Schiff bestiegen habe und darauf eingeschlafen war, sich ein großer Sturmwind erhob und Meine Jünger Mich aus Angst weckten, auf dass Ich dem Sturm und Meer Ruhe gebieten möchte.
Diese Tat geschah vor den Augen Meiner Jünger und mehrerer fremder Personen, die Mich noch nicht kannten, in geschäftlichen Angelegenheiten reisten und zufällig dasselbe Schiff mit uns zur Überfahrt benutzten; diese wunderten sich und sprachen: Was ist das für ein Mann, dass ihm Wind und Meer gehorsam sind?
Mit dieser Tat gab Ich Meinen Begleitern wieder einen Beweis, dass Ich der Herr der ganzen Natur sei, und doch erkannten das nur wenige von ihnen; selbst Meine Jünger hatten von Mir noch keinen wahren Begriff und verzagten oft in ähnlichen Fällen, selbst wenn sie erst vor wenigen Augenblicken von Mir Taten verrichten gesehen haben, die kein gewöhnlicher Mensch sondern nur Der verrichten konnte, Der weit über alles Körperliche hinaus die Fäden der ganzen Schöpfung in Seiner Hand hält. Ich zeigte Meinen Jüngern oft durch Wundertaten Meine Macht, und doch konnten sie sich nicht mit dem Gedanken befreunden, als hätten sie es in Meiner Person mit ihrem Jehova Selbst zu tun; stets ließ Ich die Umstände sich so gestalten, dass Meine Taten deutlich von Dem zeugen sollten, Der Mich gesandt hat, und doch gab es bei Meinem Wiedererscheinen unter Meinen Jüngern nach Meiner Auferstehung noch Zweifler an Meiner Göttlichkeit wie Thomas.
Auch dieses Mal verloren die Jünger trotz Meiner Anwesenheit den Mut als der Sturm sich mehrte und weckten Mich voll Angst, Mich bittend, dass Ich doch dem Sturm und Meer gebieten möge, weil sie sonst zugrunde gehen würden.


Von den Stürmen des Lebens und dem wahren Rettungsanker

Was in jenen Zeiten unter Meinem unmittelbaren sichtbaren Einfluss so schwer war, ist jetzt, wo Ich nur entweder durch eigens dazu bestimmte Schreiber oder durchs Herz eines Menschen mit ihm rede, noch schwerer geworden; jetzt sollen und müssen nur Worte genügen, da die Zeit des notgedrungenen Glaubens vorbei ist, und keine Wundertaten mehr ausgeführt noch durch Mitwirkung anderer Menschen zugelassen werden. Die meisten, die jetzt an Meine Worte glauben, sind nicht im Mindesten von der Unfehlbarkeit derselben überzeugt und zweifeln an ihnen gleich den Jüngern bei der geringsten Gefahr wie auch an Meinen Zusagen.
Die dortige Lage, wo Ich in einem Schiff mit Meinen Jüngern weilte, entspricht bei jedem Menschen seinem eigenen Lebensschiff, in dem Ich als göttlicher Funke schlummere.
Die meisten Menschen halten es so wie Meine Jünger im Schiff; solange ihnen nicht irgendeine Gefahr droht, lassen sie den Gottesfunken in ihrer Seele schlummern und kommen nicht zu Mir; erst in bedrängten Lagen, in denen sie die Unzuverlässigkeit und Nichtigkeit alles Irdischen in seiner nackten Wirklichkeit erkennen gelernt haben, suchen sie Trost und Ruhe in ihrem Inneren, da die Außenwelt ihnen beides nicht geben kann. Bis dahin schlief Ich auch bei ihnen. Sie betrachteten Mich nicht als etwas Wirkliches und Notwendiges sondern mehr als etwas Eingebildetes, ihnen von Eltern, Lehrern und Priestern Eingeredetes, das aller Wirklichkeit entbehrend, ihnen von diesen durch die Macht der bestehenden Anschauungen und Gesetze gleichsam aufgedrungen wurde, mehr darauf berechnet, die Macht der Priester zu vermehren und den Mensch zu einem willigen Lasttier für die Befehlenden zu machen als das eigene geistige Wohl zu begründen.
Wenn dann das Lebensschifflein von den Stürmen des Lebens gepeitscht und umher geworfen wird, dann kommt die Seele in Angst und Furcht, sie sucht Trost in allen Lehren, die ihr durch die Erziehung eingeprägt wurden, aber erfährt dann oft die bittere Wahrheit, dass all die Glaubenslehren und schönen angelernten Sprüche ihr die Ruhe und den Frieden nicht zu geben vermögen, die sie sucht. In dieser Angst und Not wendet sich dann der Mensch an den in ihm schlummernden göttlichen Geist und sucht in der bis dahin wenig beachteten geistigen Seite eine Stütze und Hilfe, damit er unter der Macht der Umstände nicht zugrunde gehe. Und wenn er diesen Schatz gefunden und erfahren hat, wie viel mehr Trost er in einem einzigen Lichtblitz aus diesem Heiligtum gewinnen kann als aus dem Materiellen, dann schweigen die Sorgen, es glätten sich die Wellen, die Stürme der Leidenschaften legen sich allmählich, und dafür kehren Ruhe und Frieden wieder ein; und der im Inneren erweckte Gottesgeist spricht zu der geängstigten Seele: Warum bist du so kleinmütig, da du doch den Herrn über alles Leibliche in dir trägst?


Die Bestimmung alles Geschaffenen

Und so wie diese Tat auf dem Meer ihre geistige Entsprechung im menschlichen Einzelleben hat, so hat sie auch ihre Entsprechung im Leben ganzer Völker. Auch in der Volksseele ruht ein Funken göttlicher Triebkraft, der oft durch Bedrängnisse geweckt werden muss um ein ganzes Volk zum Nachdenken über seine Bestimmung auf Erden anzuregen; denn dies, wie alles was auf Erden vorgeht, ist nur ein einfaches Wirken der Liebe, das Seelisch-Geistige, vom Stein anfangend bis hinauf zum Menschen, zur Geltung zu bringen.
Es ist dieser Vorgang wohl auch schon im Leben der Tiere, ja auch der Pflanzen- und Steinwelt vorhanden, aber hier nur dem geistigen Auge wahrnehmbar.
Im kleinsten Teilchen jeder Materie liegt Geistiges bzw. Seelisches gebunden und schlummernd; dieses wird durch Außenumstände geweckt und drängt die Materie, sich zu gestalten und zu formen, sich aufzulösen und wieder zusammenzusetzen, und so von Stufe zu Stufe aufwärts schreitend sich immer mehr zu vervollkommnen.
Und wie sich die Materie aus dem starren Steinleib zum Pflanzen-, Tier- und Menschenleib verfeinert, so tut es auch das Seelische in ihr; vom unbewussten Trieb der Steinseele im Mineral geht es zum verfeinerten der Pflanzenseele, dann zum Instinkt der Tierseele über, um in der Menschenseele als Vernunft alle Triebe zu beherrschen, und so die Seele für die opferfähige Liebe vorzubereiten.
Wie Meine Jünger durch verschiedene Ereignisse zum Fortschreiten im Glauben und Vertrauen veranlasst wurden, damit sie erstarken sollten um in den kommenden Lebensstürmen nicht zu unterliegen, so soll auch der Mensch hier auf Erden durch verschiedenartige Einwirkungen und Einflüsse erstarken für das zukünftige Leben in der geistigen Welt.
Der Mensch soll erstarken in dem Bewusstsein, dass er nicht bloß ein Bürger dieser Erde, sondern ein Weltenbürger ist, der zwischen zwei Welten stehend auf dieser Erde zwar eine materielle Umkleidung hat, dabei aber in sich das geistige Ebenbild seines Schöpfers und Vaters trägt, Der weit hinaus über alles Vergängliche ins Unendliche hineinragt und Seine Abkömmlinge zu dem erziehen will wozu Er sie erschaffen hat, nämlich zu Veredlern und Vergeistigern der Materie und zu ewigen Bewohnern eines geistigen Reichs, wo die Materie einst ihren ersten Ursprung genommen hat, und da ihr letztes Ende finden muss und auch finden wird.


Aufruf zu Mut und Vertrauen

Seid daher auch ihr beflissen den göttlichen Funken in euch zu erwecken, zu pflegen und verstehen zu lernen, damit ihr auf des Lebens bewegten Wogen unter dem Wechsel der Verhältnisse und Ereignisse sowie unter den Stürmen der Leidenschaften nicht den Mut verliert wie einst Meine Jünger im Schifflein, sondern dass ihr stets eingedenk seid, dass euer Vater bei euch ist, und wenn euch Seine Stimme auch nicht immer vernehmbar ist, Er doch nicht schläft, so wenig als Mein göttlicher Geist in dem Schifflein geschlafen sondern nur abgewartet hat, bis eine neue Kleinmütigkeit die Schwäche Meiner Jüngern offen an den Tag legen würde.
Dort gebot Ich dem Wind und dem Meer Ruhe, und wer Mich in seinem Inneren suchen und finden wird, der wird auch durch den in ihm geweckten göttlichen Geist ebenfalls Ruhe und Frieden vorerst in seinem Inneren finden, und dann diese Ruhe auch auf die Außenwelt übertragen können.
Dies merkt euch und verzweifelt nicht gleich, wenn eure Wünsche auch nicht immer so erfüllt werden wie ihr es gerne haben möchtet. Ich weiß am Besten was ihr bedürft, und gebe euch sicher nur immer das was euch zu eurem seelischen Heil und Fortschritt nötig ist.
Erstarkt im Glauben und Vertrauen an euren in euch gelegten göttlichen Geist, damit er in euch immer mehr erwache, euch schütze, leite, und führe zu Dem, mit Dem er Eins ist. Amen.


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