PREDIGTEN DES HERRN
- Originaltext nach der Erstausgabe von 1892 -
9.
Am vierten Sonntag nach Weihnachten
Die Heilung eines Aussätzigen
Matthäus 8,1-13: Da er aber vom Berg herabging, folgte ihm viel Volks nach. Und siehe, ein Aussätziger kam und betete ihn an und sprach: Herr, so du willst, kannst du mich wohl reinigen. Und Jesus streckte seine Hand aus, rührte ihn an und sprach: Ich will's tun; sei gereinigt! Und alsbald ward er vom Aussatz rein. Und Jesus sprach zu ihm: Siehe zu, sage es niemand; sondern gehe hin und zeige dich dem Priester und opfere die Gabe, die Mose befohlen hat, zu einem Zeugnis über sie. Da aber Jesus einging zu Kapernaum, trat ein Hauptmann zu ihm, der bat ihn und sprach: Herr, mein Knecht liegt zu Hause und ist gichtbrüchig und hat große Qual. Jesus sprach zu ihm: Ich will kommen und ihn gesund machen. Der Hauptmann antwortete und sprach: Herr, ich bin nicht wert, dass du unter mein Dach gehst; sondern sprich nur ein Wort, so wird mein Knecht gesund. Denn ich bin ein Mensch, der Obrigkeit untertan, und habe unter mir Kriegsknechte; und wenn ich sage zu einem: Geh hin, so geht er; und zum anderen: Komm her, so kommt er; und zu meinem Knecht: Tu das, so tut er's. Da das Jesus hörte, verwunderte er sich und sprach zu denen, die ihm nachfolgten: Wahrlich ich, sage euch: Solchen Glauben habe ich in Israel nicht gefunden! Aber ich sage euch, viele werden kommen vom Morgen und vom Abend und mit Abraham und Isaak und Jakob im Himmelreich sitzen; aber die Kinder des Reichs werden ausgestoßen in die Finsternis hinaus; da wird sein Heulen und Zähneklappern. Und Jesus sprach zu dem Hauptmann: Geh hin; dir geschehe, wie du geglaubt hast. Und sein Knecht ward gesund zu derselben Stunde.
Empfangen am 11. Januar 1872
Der körperliche Aussatz
Dieses Kapitel Meines Schreibers Matthäus bespricht mehrere Heilungen und Wunder aus Meinen ersten Lehrjahren.
Es sind dies Taten, die notwendig waren, dem strenggläubigen Judenvolk eine andere Idee von ihren mosaischen Gesetzen und von ihrem Jehovah-Zebaoth zu geben, als sie besaßen. Worte reichten aber bei ihnen nicht aus, sie mussten Taten sehen.
Hier ist erwähnt, dass Ich durch bloße Berührung einen Aussätzigen heilte.
Es gibt zwei Arten von Aussatz, einen körperlichen Aussatz und einen solchen im geistigen Sinn. Der körperliche Aussatz ist eine Krankheit, wo, sei es durch Ausschweifung, sei es durch gesundheitswidrige Lebensweise im Essen, Trinken usw., oder durch Unreinlichkeit, man in seinen Körper so viele Fremde, also gleichsam für ihn giftige Stoffe hineingeschafft und zurückgehalten hat, dass die ganze Körpermaschine nicht mehr ihre notwendigen Verrichtungen versehen kann. Um nun diese notwendige und natürliche Tätigkeit und Geschäftsleitung in allen Teilen des Körpers wiederherzustellen, wirft die menschliche Naturheilkraft alle seit Jahren aufgespeicherten fremde Stoffe oder Gifte auf das sehr wichtige Organ, die Haut, durch die die größte und ausgebreitetste Verbindung mit der Außenwelt besteht, um sich so erstens dieser Stoffe zu entledigen, zweitens um durch dieses giftige Reizmittel eben die Haut anzuregen, durch eine erhöhte Tätigkeit den ganzen Körper in seinem Reinigungsprozess zu unterstützen und ihm so wieder zu seiner ganzen früheren Gesundheit zu verhelfen.
Der Aussatz kommt von innen und entsteht aus einem unreinen Blut, und muss deshalb auch von innen ausgeheilt werden, indem ein gesunde Blutbildung durch eine zweckentsprechende Heil- und Lebensweise angestrebt werden muss, wodurch der Körper wieder erneuert und der Mensch gesund wird. Von außen gehört natürlich auch die Reinhaltung der Wunden insofern dazu, damit das dem Körper nicht mehr Taugliche und Zersetzte entfernt, und dem weiterhin noch nachkommenden Platz gemacht werde.
Der geistige Aussatz
Hier habt ihr in kurzen Umrissen ein Bild vom Wesen des Aussatzes als körperliche Krankheit; jetzt wollen wir dieselbe in ihrer geistigen Entsprechung betrachten, damit ihr auch dort die Krankheitserscheinungen und die Heilmittel erkennen mögt; nur der Wunderheiland, Der diese Krankheit durch bloße Berührung oder durch ein Wort heilen könnte, Der wird und muss hier wegbleiben, denn in geistiger Hinsicht muss jeder Aussätzige sich selbst heilen und allein sein Heiland werden; denn so Ich diese Art Menschen, die natürlich nicht zu den besten gehören, auf einmal durch Mein Wort zu Engel machen wollte, so wäre damit weder Mir noch Meinem Geisterreich geholfen, noch wäre es für den plötzlich verwandelten Geist oder Seelenmenschen von Nutzen.
Seht, geistig aussätzig oder mit vielen unreinen Beulen und Geschwüren behaftet ist jetzt ein großer, ja der größte Teil der Menschheit, aber eben weil die Mehrzahl geistig aussätzig ist, so findet man an dieser Krankheit keinen Anstoß mehr, besonders da die wenigen gereinigten sich von den noch erkrankten nicht zurückziehen, sondern selbe mit Liebe und Geduld wie es die christliche Lehre verlangt pflegen, und selben mit Rat und Tat zur Wiedererlangung ihrer verlorenen moralischen Gesundheit behilflich sind.
Der Aussatz ist eine Krankheit, die sich offen am menschlichen Körper zeigt und vor niemandem verborgen gehalten werden kann.
Auch der geistige Aussatz, der in den bösen Leidenschaften und Gewohnheiten und anderen schlechten Eigenschaften des Menschen besteht, und meist das Ergebnis einer schlechten, vernachlässigten Erziehung ist, kann nicht verborgen gehalten werden; denn wenn eine Seele in ihrem Innersten so verdorben ist, dass sie beinahe ihren geistigen Wert eingebüßt hat, so treibt der Geist als Meinen in sie gelegter Funke sie soweit, dass sie sich nicht mehr schämt, selbst diese schmutzigste Innenseite nach außen öffentlich zur Schau zu tragen. Die Seele wird dadurch gleichsam gezwungen, ihre Denkweise den Nebenmenschen zu enthüllen, und durch ihre danach eingerichtete Lebensart sich an der Welt abzustoßen; sie kommt so durch manche bittere Erfahrung belehrt am Ende dann doch zur Einsicht, dass nur ein besseres, höheres, moralisches Denken und Handeln zum wahren Frieden führt.
Jesus Einwirken
Um diesen Heilungsprozess bei solchen geistigen Aussätzigen zu beschleunigen, lasse Ich dann verschiedene Ereignisse in der Welt zu, wodurch auch Verschiedenes, kräftiger Geistiges in das Innere oder das Seelenleben eingeflößt wird.
Jeder geistig Aussätzige muss sich gewöhnlich selbst heilen und kann nicht so wie jener Aussätzige dem Leib nach, dessen Seele aber reiner war als der Körper, durch Meinen Willen geheilt werden.
Meine Einwirkung besteht jetzt nur darin, dass Ich ihn in Umstände und Verhältnisse führe, in denen er schneller, gleichsam durch eine eingreifendere Kur, von seinen Leiden befreit werden kann, aber ihn selbst auf einmal durch Mein Machtwort zu reinigen, würde ein Eingriff in die Willensfreiheit des Menschen sein.
Wenn ich aus Teufeln plötzlich Engel machen wollte, wo bliebe ihr Verdienst, und wo das beseligende Bewusstsein, sich durch Kampf und Verleugnung im Guten gefestet und sich die bessere Stufe so selbst, obwohl durch Meine Gnade, erworben zu haben?
Diese Art geistiger Wunderheilung bleibt also in jetziger und künftiger Zeit aus; wohl aber wiederholt und ereignet sich noch oft, was dem Hauptmann von Kapernaum begegnet ist, der mit blindem Glauben und fester Zuversicht nur an Mein Wort glaubte, und durch die Worte: O Herr, ich bin nicht wert, dass Du eingehst in mein Haus, sprich nur ein Wort, und mein Knecht wird gesund, ganz zeigte, wie der eigentliche Christenmensch beschaffen sein sollte, der trotz allem widrigen Anschein doch fest auf Mich, Meine Führung baut und Meinen Worten glaubt, und nebenbei Meine Größe öffentlich bekennend seine eigene Unwürdigkeit nicht vergisst.
Solche Seelen, die so mit Mir reden und so bittend zu Mir kommen, sich selbst erniedrigend, diese berühre Ich mit Meinem Finger oder heile sie mit Meinem Wort, d.h. Ich lege ihnen Trost und Frieden ins Herz, die auf keine andere Weise zu erlangen waren; solchen demütig Glaubenden ist das Himmelreich offen, aber nicht denen, die sich noch mit ihrem Aussatz brüsten. Diese müssen erst einsehen dass es besser wäre, ihre schlechten Eigenschaften auszumerzen anstatt sie zur Schau zu tragen, diese werden die Unreinheit ihrer Seele erst durch traurige Erfahrungen, aber dann leider oft zu spät erkennen, und nachdem sie sich von dem Unlauteren gereinigt haben, einsehen, dass der Weg den sie gewandelt sind, nicht zum geistigen ewigen Leben und nicht zur Mir führt.
Solange sie nicht begreifen werden, dass Demut und Liebe mit unbegrenztem Vertrauen verbunden die Mittel sind, womit man bei Mir alles erreichen und so sich am schnellsten forthelfen kann, solange werden Mühseligkeiten, Krankheiten und andere unliebsame Ereignisse aller Art auf sie einwirken müssen, bis der Aussatz dadurch zum Schwinden gebracht, und Glaube und Liebe von innen aus einem besseren seelischen Körper herangebildet haben werden.
Die geistige Genesung muss von innen kommen; das Schlechte muss nach außen bis in die Öffentlichkeit dringen, durch das Zusammenleben mit anderen sich abstoßen, während durch moralisch-seelische Heilmittel das Innere nach und nach verbessert werden muss.
Nur so kann der Mensch zu seinem Normalzustand als Ebenbild seines Schöpfers gelangen, und dem geistigen Reich wiedergewonnen werden.
Wie der Aussatz des Körpers ansteckend ist, so ist es auch der Aussatz der Seele, weil ein solcher Mensch durch seine schlechten Grundsätze auch andere zu schlechten Handlungen verleitet. So entstand durch Ansteckung nach und nach diese unsittliche Welt, wie ihr sie jetzt seht.
Selbsterkenntnis und Seelenreinigung
Auch ihr habt noch so manche Aussatzbeule an eurer Seele, was euer Lebenswandel deutlich zeigt; viele geistige Arznei habt ihr schon von Mir erhalten, aber man sieht noch immer nicht, dass sie soweit eure Seele gereinigt hätte, dass sich an eurem Außenleben oder eurer Seelenhaut keine Unreinigkeiten mehr zeigen würden. Ihr habt das Naturheilverfahren, nämlich euer Leben nach der göttlichen Ordnung der Liebe einzurichten, kennengelernt, aber auch diese Heilmethode scheint euch nicht zu behagen, sonst müsstet ihr schon reiner von Eigenliebe in eurem äußeren Tun und Lassen geworden sein.
Vieles ist es, das ihr wohl lest und auch glaubt, aber an der Außenseite der Lebenshaut zeigen sich noch wenig Spuren, als wäre diese Gnaden- und Liebeskost bis dorthin durchgedrungen. Noch wenige von euch erkennen ihre Unwürdigkeit wie der Hauptmann zu Kapernaum, auf dass auch sie ausrufen möchten: Herr, ich bin so vieler Gnade nicht wert, nur ein Wort des Trostes genügt, und auch dieses ist schon zu viel für mich armes, schwaches und wankelmütiges Kind.
Die meisten von euch glauben wie die Juden jener Zeit, wenn sie sich buchstäblich nur an die Satzungen und Lehren Meiner Worte anklammern, schon alles getan zu haben; von einer praktischen Ausübung Meiner Lehre sind sie aber oft noch weit entfernt.
Mit dem Bekehrenwollen anderer, da seid ihr gleich bereit, da wollt ihr gleich helfen, den Unrat vor anderer Leute Türen aufzuräumen, nur den vor der eigenen lasst ihr ganz gemütlich liegen und wartet, vielleicht wie dieser im Evangelium genannte Aussätzige, dass Ich kommen und mit Meiner Berührung euch gleich zu höchst tugendhafte Wesen stempeln soll. Darin liegt der große Fehler bei euch, dass ihr eure eigene Krankheit zu wenig erkennt, und deswegen auch zu wenig Bedürfnis empfindet selbe zu heilen.
Ich ermahne euch hiermit, untersucht euch, und wenn ihr Aussatzgeschwüre, die sich durch Gedanken, Worte und Taten äußern die nicht der reinen Liebe entsprechen, an euch findet, so möge euch das ein Zeichen sein, dass ihr noch manches Fremde, was nicht eurem geistigen Wesen angehört, in euch bergt. Trachtet, dasselbe auszumerzen und durch neue kräftige Liebe-Lebenssubstanzen zu ersetzen, damit ihr nicht Meine direkte Berührung, sondern nur Mein Wort zur Heilung eurer Seele nötig habt. Amen.